Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
nickte Richtung Treppe. »Da müssen Sie ihn fragen. Sehen Sie selbst. Er ist in seinem Zimmer.«
»Probleme?«
»Eigentlich nicht. Er macht nur mal wieder so eine Phase durch. Ehe man sich versieht, ist sie wieder vorbei.«
Banks lächelte und musste daran denken, wie sein Vater das Gleiche über jedes Hobby gesagt hatte, mit dem er begonnen hatte, vom Meccano-Modellbaukasten bis zum Briefmarkensammeln. Und er hatte Recht gehabt. Banks hatte immer noch das Gefühl, rastlos von Interesse zu Interesse zu schlingern. »Welche Phase ist es denn diesmal?«, fragte er.
»Das werden Sie früh genug herausfinden.«
»Dann spreche ich mal lieber mit ihm«, sagte Banks. »Ich bin schon ganz neugierig.«
Er ging die Treppe hinauf, wobei er spürte, dass sich Shazia Mahmoods Blicke in seinen Rücken bohrten, und stellte oben angekommen fest, dass er gar nicht wusste, welches Zimmer Georges war. Aber dann erübrigte sich die Frage. Am Ende des Flures, neben dem Badezimmer, war eine Tür leicht geöffnet und Banks konnte Räucherstäbchen riechen und Klaviermusik hören.
Es war eindeutig Jazz, aber es war weder Monk noch Bill Evans oder Bud Powell. Es klang anders. Die Musik erinnerte auch nicht an die wilden Kaskaden Cecil Taylors, von dem sich Banks vor Jahren irrtümlicherweise eine Platte gekauft hatte, verleitet durch die Überzeugungskraft der Rezension eines normalerweise verlässlichen Kritikers.
Diese Musik war repetitiv und rhythmisch, eine Art eingängiger, melodischer Riff, der mit ein paar Variationen wieder und wieder gespielt wurde. Irgendwo hatte er das schon einmal gehört.
Er klopfte an die Tür und George Mahmood öffnete sie. George war ein gut aussehender Junge mit dichtem schwarzem Haar, langen Wimpern und dunkelbraunen Augen. Er schaute Banks einen Augenblick an. »Sie sind Brians Vater, oder?«, sagte er dann. »Der Bulle.«
Das war nicht gerade die herzliche Begrüßung, die Banks erhofft hatte; er hatte gedacht, dass sich George mit etwas mehr Zuneigung an ihn erinnern würde. Aber in drei Jahren können sich Einstellungen erheblich verändern, besonders wenn man jung ist. Er lächelte. »Richtig. Das bin ich. Der Bulle. Was dagegen, wenn ich reinkomme?«
»Ist das ein Höflichkeitsbesuch?«
»Nicht ganz.«
»Dachte ich mir.« George trat zur Seite. »Dann kommen Sie mal rein. Wahrscheinlich könnte ich Sie auch gar nicht davon abhalten, selbst wenn ich wollte.«
Banks betrat das Zimmer und setzte sich auf einen harten Stuhl am Schreibtisch. George ließ sich in einen Sessel fallen. Doch zuvor hatte er die Musik ein wenig leiser gestellt. Er trug eine weite schwarze Hose und ein weißes Hemd mit Nehru-Kragen.
»Wer spielt da?«, fragte Banks.
»Wieso?«
»Gefällt mir.«
»Abdullah Ibrahim. Ein südafrikanischer Pianist.«
Jetzt, da George den Namen erwähnt hatte, fiel Banks ein, dass er schon von Ibrahim und seiner Musik gehört hatte. »Hieß der früher nicht Dollar Brand?«, fragte er.
»Stimmt. Genauso wie Muhammed Ali früher Cas-sius Clay hieß.«
Von Cassius Clay hatte Banks seit Jahren nicht mehr gehört, und es überraschte ihn, dass ein so junger Kerl wie George Alis früheren Namen überhaupt kannte. Sie unterhielten sich etwas befangen über Brian, dann kam Banks schnell auf das Thema, das ihn hergeführt hatte. »George«, sagte er, »ich bin wegen Samstagabend gekommen.«
»Was war da?« George schaute weg zum Fenster. »Und ich heiße nicht mehr George. Das ist ein dämlicher Name, die Verbeugung meines Vaters vor der Kolonialmacht. Mein Name ist Mohammed Mahmood.«
Während er sprach, wandte sich George wieder an Banks, und in seinen Augen funkelte ein trotziger Stolz. Jetzt verstand Banks, was Charles Mahmood gemeint hatte. Jetzt machten seine Anspielungen Sinn: Dollar Brand - Abdullah Ibrahim, der auf dem Nachttisch liegende Koran. George erforschte gerade seine islamischen Wurzeln.
Na gut, sagte sich Banks, sei tolerant. Nicht alle Moslems unterstützen Todesdrohungen gegen Schriftsteller. Er hatte nicht viel Ahnung von der Religion, aber er nahm an, dass der Islam ebenso viele verschiedene Ausprägungen hatte wie das Christentum, das ein recht breites Spektrum umfasste, wenn man die Sektierer, die Methodisten, die Quäker und die spanische Inquisition mit dazurechnete.
Warum fühlte er sich dann so unbehaglich, so, als hätte er jemanden verloren, den er
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