Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
Jason sich nie besonders nahe standen. Wieso?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Als er jünger war, war er immer eher ein Muttersöhnchen. Als Teenager hat er dann mit Fußball angefangen. Ich habe mich nie groß für Sport interessiert. In der Schule war ich nie besonders gut bei den Spielen. Ich war immer der Letzte, der gewählt wurde. Wahrscheinlich hätte ich auf den Platz gehen sollen, um ihm beim Spielen zuzuschauen, vielleicht hätte ich mehr Unterstützung signalisieren sollen ... mehr Begeisterung. Es war ja nicht so, dass ich nicht stolz auf ihn gewesen wäre.« Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht war ich egoistisch. Ich habe meine Plattensammlung katalogisiert. Jason hatte seinen Fußball. Wir schienen einfach nichts gemeinsam zu haben. Aber ich konnte doch nicht wissen, wohin das alles führt. Woher denn?« Er schaute auf seine Uhr. »Hören Sie, ich muss jetzt wirklich zurück. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, ehrlich. Wenn diese Jungs Jason wirklich getötet haben, diese Ausländer, die Sie freigelassen haben, dann hoffe ich, dass Sie ein paar Beweise gegen sie finden. Kann ich sonst noch etwas tun ...?«
Und dann stand er auf, um zu gehen. Susan nickte und war schließlich mehr als froh, dass das Gespräch beendet war. Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte sie sich zurückhalten müssen, um ihrem Gegenüber nicht lautstark zu erklären, dass George, Asim und Kobir keine Ausländer waren, sondern dass sie in diesem Land geboren waren, genau wie ihre Väter vor ihnen. Aber welchen Sinn hätte das gehabt?
Und nun musste sie ins Himalaya gehen und mit Asim Kobir und seinen Eltern sprechen. Sie würden sich bestimmt riesig freuen, sie zu sehen. Doch so unverschämt es auch klang, vielleicht hatte sie nach allem noch Platz für eine kleine Samosa. Nur eine. Für einen anfangs banal anmutenden, außer Kontrolle geratenen Kneipenstreit, dachte sie, war dieser Fall zu einer verdammt verwirrenden Angelegenheit geworden.
* V
Die kleine Glasscheibe in der Eingangstür ging ohne Probleme zu Bruch, als Banks seinen Ellbogen benutzte. Vorsichtig steckte er seine Hand hindurch und drehte das Schloss herum. Er hatte einen Durchsuchungsbefehl für das Haus, und da alles aus Jasons Taschen mitgenommen worden war, einschließlich seines Hausschlüssels, war dies der einfachste Weg, hereinzukommen.
Im Haus war es so still, dass er nur das Rauschen seines Blutes in den Ohren hören konnte. Nicht einmal eine Uhr tickte. Er stellte sich vor, dass es nicht immer so gewesen war, vor allem dann nicht, wenn die Zwillinge nebenan zu Hause waren.
Er begann mit dem Wohnzimmer zu seiner Rechten: eine dreiteilige Sitzgarnitur mit hellbraunen Kordpolstern, eine Tapete mit schmalen grünen und braunen Streifen, ein Spiegel über dem Kaminsims, ein elektrisches Feuer aus imitierten Kohlen; Fernseher und Videorecorder; eine Auswahl Videobänder, dem Anschein nach vor allem Science-Fiction- und Horrorfilme; ein paar Taschenbücher: Ayn Rand, Tom Clancy, Michael Crichton. Das war es auch schon. Vor der einen Wand stand eine Anrichte und in einer der Schubladen fand Banks ein paar an Jason Fox adressierte Rechnungen. Sonst nichts.
Die Küche war sauber und aufgeräumt, sämtliches Geschirr stand im Schrank, die Becher hingen an Haken über der Spüle. Im Kühlschrank befand sich nur sehr wenig: ein Stück Butter, Cheddarkäse, der an den Rändern blau wurde, geschnittenes Weißbrot, gekochter Schinken, welker Stangensellerie, Kopfsalat, Tomaten. Eher Zutaten für Sandwiches als für warme Mahlzeiten. Vielleicht hatte Jason meistens außerhalb gegessen.
Es gab noch drei weitere Räume, einer war im Grunde nicht größer als ein Schrank und völlig leer. Die anderen beiden machten schon eher einen bewohnten Eindruck. Genau wie in seinem Elternhaus in Eastvale war auch hier in Jasons Schlafzimmer das Bett ordentlich gemacht und im Kleiderschrank hing eine ähnliche Auswahl an Kleidung. Die Kommodenschubladen waren voller Socken, Unterwäsche und T-Shirts, dazu gab es eine ungeöffnete Packung Kondome und eine Flasche Aspirin. Der dritte Raum sah wie ein Gästezimmer aus, ein Einzelbett stand in ihm, die Schubladen waren leer und mehr gab es nicht zu finden.
Mit Ausnahme des Computers.
Doch Banks hatte Angst, irgendwelchen Unfug anzustellen, wenn er begann, daran herumzuprobieren, und notierte sich deshalb nur, jemand anderen herkommen zu lassen, um das Gerät zu überprüfen.
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