Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
meine Tür geklopft, oder?«
»Nein«, sagte Banks.
Sie schmollte gespielt. »Schade. Wollen Sie zu Tracy?«
»Ich bin ihr Vater.«
»Ach, der Polizist. Sie hat viel von Ihnen erzählt.« Das Mädchen drehte eine Locke ihres roten Haares um den Zeigefinger. »Ich muss allerdings sagen, dass sie mir nie erzählt hat, wie toll Sie sind. Ich bin übrigens Fiona. Schön, Sie kennen zu lernen.«
Sie streckte ihre Hand aus und Banks schüttelte sie. Er spürte, dass er rot wurde. »Haben Sie eine Ahnung, wo Tracy sein könnte?«
Fiona schaute auf ihre Uhr. »Mittlerweile müsste sie mit den anderen im Pack Horse sein«, erwiderte sie seufzend. »Ich wäre eigentlich auch dort, aber ich muss wegen einer Grippe Antibiotika nehmen und darf nichts trinken. Und wenn man nichts Richtiges trinken darf, macht es keinen Spaß.« Sie rümpfte ihre Nase und lächelte. »Es ist gleich die Straße rauf. Sie können es nicht verfehlen.«
Banks dankte ihr, ließ den Wagen stehen, wo er war, und ging zu Fuß los. Das Pack Horse lag an der Wood-house Lane, kurz vor der Kreuzung mit der Clarendon Road, nur ein paar hundert Meter entfernt. Obwohl er seine Krawatte abgenommen hatte und legere Hosen und eine Wildlederjacke mit Reißverschluss trug, fühlte er sich zu förmlich gekleidet für das Lokal.
Mit seiner Einrichtung aus poliertem Holz, Messing und Glas sah der Pub wie eine echte viktorianische Bierschänke aus. Er schien in ein Gewirr aus einzelnen Räumen unterteilt zu sein, die meisten waren von lärmenden Studentengruppen besetzt. Erst im dritten Raum entdeckte Banks seine Tochter. Sie saß mit ungefähr sechs oder sieben anderen Studenten an einem voll gestellten Tisch, eine ziemlich ausgewogene Mischung aus Jungen und Mädchen. Die Jukebox spielte gerade einen Beatles-Oldie: »Ticket to Ride«.
Er konnte Tracy im Profil sehen, während sie über die Musik mit einem Jungen neben ihr plauderte. Gott, wie sehr sie Sandra ähnelte. Das blonde Haar hinter die kleinen Ohren gesteckt, schwarze Augenbrauen, Nase und Kinn geneigt, die lebhaften Züge beim Reden. Ihr Anblick versetzte seinem Herz einen Stich.
Das Äußere des Jungen neben ihr gefiel Banks nicht. Er hatte so einen Gesichtsausdruck, der immer spöttisch auf die Welt hinabzuschauen schien. Es lag irgendwie an der Bewegung der Lippen und an seinem Blick.
Entweder bemerkte es Tracy nicht und es kümmerte sie nicht. Oder, noch schlimmer, sie fand es anziehend.
Während sie sprach, gestikulierte sie mit den Händen, hielt gelegentlich inne, um seinen Erwiderungen zuzuhören, ein Schluck des bernsteinfarbenen Getränks aus ihrem Pintglas zu trinken und von Zeit zu Zeit zustimmend zu nicken. Ihr Getränk konnte Bier sein, doch Banks glaubte, dass es eher Cider war. Tracy hatte immer gerne alkoholfreien Cider getrunken, wenn sie während der Familienurlaube in Dorset oder den Cotswolds zum Essen in einen Pub gegangen waren.
Dieses Glas Cider war aber wahrscheinlich alkoholisch. Warum auch nicht? Sie war alt genug, sagte er sich. Wenigstens rauchte sie nicht.
Dann überwältigte ihn, wie er da so in der Tür stand, ein merkwürdiges Gefühl. Während er seine Tochter reden, lachen und trinken sah, hatte er plötzlich einen Kloß im Hals, und ihm wurde klar, dass er sie verloren hatte. Er konnte nicht hinübergehen und sich zu der Gruppe gesellen - er konnte es einfach nicht. Er gehörte nicht dazu; seine Anwesenheit wäre ihr nur peinlich. Eine Grenze war erreicht und überschritten worden. Tracy war nun auf der anderen Seite, es würde nie wieder wie früher sein. Und er fragte sich, ob dies die einzige Grenze war, die in letzter Zeit überschritten worden war.
Banks wandte sich ab und ging hinaus. Der Wind trieb ihm die Tränen in die Augen, als er losging und nach einem Lokal suchte, wo er in Ruhe eine Zigarette rauchen und ein Bier trinken konnte, bevor er sich auf den Weg zurück nach Hause machte.
* VIII
An diesem Dienstagabend veranstaltete die Albion-Liga eine ihrer regelmäßigen Partys in einem kleinen, gemieteten Lagerhaus nahe Shipley. In solchen schummerigen und höhlenartigen Räumen fanden auch Raves statt, nur dass bei der Liga kein Ecstasy eingeworfen wurde. Die einzigen Drogen, die hier konsumiert wurden, vermutete Craig, waren das Bier, das aus den Fässern strömte wie Wasser aus einem Schlauch, Nikotin und vielleicht die eine oder andere Amphetaminpille.
Trotzdem war die
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