Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
bleiben.
Sergeant Hatchley klopfte mit seiner riesigen Pranke an. Die Tür wackelte in ihrer Verankerung, aber niemand öffnete. Er drückte die Klinke herunter, die Tür war jedoch abgeschlossen. In der Stille nach dem Klopfen meinte Banks drinnen ein Geräusch zu hören.
»Was sollen wir machen?«, fragte Hatchley.
»Klopfen Sie noch mal.«
Hatchley klopfte. Heftiger dieses Mal.
Es funktionierte. Eine Stimme hinter der Tür rief: »Was wollen Sie?«
»Polizei«, sagte Banks. »Aufmachen.«
Sie hörten, wie eine Kette entfernt und der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde, dann ging die Tür auf.
Aus irgendeinem Grund hatten die neuen Bewohner die an einem Metallbogen über der Tür hängende Glocke nicht abmontiert, sodass es klingelte, als Banks und Hatchley eintraten. Der Klang erinnerte Banks daran, wie er in seiner Kindheit zum Einkaufen in den Laden um die Ecke geschickt worden war, wie er gebannt zugeschaut hatte, wenn Mrs. Bray die Maschine angeschaltet hatte und der Schinken auf der Schneidemaschine vor und zurück glitt und es jedes Mal, wenn das sich drehende Schneideblatt eine Scheibe abschnitt, einen zischenden Ton gab. Er erinnerte sich an den Geruch des geräucherten Fleisches, der in der Luft hing und sich mit dem des frischen Brotes und der Äpfel vermischte.
Doch die Gerüche, die er aufnahm, als er jetzt in den alten Laden ging, verdrängten schnell seine nostalgischen Gedanken: Es roch nach verbranntem Kohlenstoff von Fotokopierern und Laserprintern, nach frischer Farbe, Zigarettenqualm und geschnittenem Papier.
Das Innere ähnelte auch keinem Laden mehr. Was einmal der Tresen gewesen sein musste, war mit Papierstapeln bedeckt - dem Anschein nach weitere Kopien des Pamphlets -, und auf einem Schreibtisch brummte neben einem Telefon ein Computer. An den Wänden hing ein gerahmtes Poster von Adolf Hitler in Aktion, ein Bild, das wahrscheinlich bei einer Rede vor einem der Nürnberger Parteitage aufgenommen worden war. Dazu gab es eine große Grafik, die ein aus brennenden Pfeilen bestehendes Hakenkreuz darstellte.
Ein kleiner, junger Mann mit strähnigem schwarzem Haar, einer altmodischen Kassenbrille und einem pickeligen Gesicht schloss hinter ihnen die Tür. »Ich freue mich immer, wenn ich der Polizei helfen kann«, sagte er mit einem dämlichen Grinsen. »Wir stehen auf der gleichen Seite.«
»Red keinen Scheiß, Freundchen«, sagte Banks. »Wie heißt du?«
Beleidigt begann der junge Mann zu blinzeln und trat einen Schritt zurück. »Es gibt keinen Grund ...«
»Name?«, wiederholte Banks, während er und Hatchley näher kamen und den jungen Mann gegen den Tresen drängten.
Der Junge hob seine Hände. »Okay, okay. Schlagen Sie mich nicht. Ich heiße Des, Des Parker.«
»Wir wollen uns nur ein bisschen umschauen, Des, wenn du nichts dagegen hast«, sagte Banks.
Des runzelte die Stirn. »Brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl? Ich meine, äh, ich kenne meine Rechte.«
Banks hielt inne und hob seine Augenbrauen. Er schaute Hatchley an. »Haben Sie das gehört, Jim? Des hier kennt seine Rechte.«
»Ja«, sagte Hatchley, ging zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Soll ich die Gäste willkommen heißen, Sir?«
Des sah verwirrt aus. »Welche Gäste? Was hat er vor?«
»Er organisiert einen Durchsuchungsbefehl«, erklärte Banks. »In ungefähr einer halben Stunde werden fünfzig Trampeltiere den Laden bis in die hinterste Ecke durchkämmen. Bis sie da sind, werden Sergeant Hatchley und ich hier mit dir warten. Vielleicht willst du den Eigentümer des Hauses benachrichtigen, solange wir warten. Wenn der Laden nicht dir gehört, möchte er vielleicht vorbeikommen, damit seine Rechte nicht verletzt werden.«
Des schluckte. »Mr. Motcombe ... Das wird ihm nicht gefallen.«
»Und?«
»Was ist los, Des? Wer ist da, verdammte Scheiße? Gibt es ein Problem?«
Der neue Sprecher kam aus dem Hinterzimmer und machte sich, begleitet von der Klospülung, seinen Hosenlatz zu. Er sah ein paar Jahre älter aus als Des Parker und immerhin fünfzig Gehirnzellen klüger. Er war groß und dünn, trug ein schwarzes T-Shirt, Jeans und rote Hosenträger, und sein blond gebleichtes Haar war äußerst kurz geschoren. Außerdem trug er einen Diamantknopf in einem Ohr und sprach mit einem starken Akzent des Nordens. Mit Sicherheit war es nicht der junge Mann, der letzten Samstag mit Jason
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