Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
wenn es doch nur anders verlaufen wäre. Obwohl Banks bewusst war, dass er sich mehr Sorgen um seine Tochter Tracy machte, die gerade mit ein paar Freundinnen in einem alten Lieferwagen durch Frankreich tourte, hieß das ja nicht, dass ihm Brian gleichgültig war.
Durch seine Arbeit hatte Banks so viele Kinder auf die schiefe Bahn geraten sehen, dass es schon nicht mehr komisch war. Drogen. Vandalismus. Diebstahl. Einbruch. Gewaltverbrechen. Brian sei zu sensibel, um so etwas zu machen, hatte Banks sich immer eingeredet; er hatte jegliche Unterstützung erhalten, die sie sich hatten leisten können. Mehr als Banks je bekommen hatte. Wahrscheinlich hatten ihn die Worte seines Sohnes deshalb so stark verletzt.
Ein Pärchen ging am Cottage vorbei, schwere Rucksäcke auf dem Rücken, knotige Wadenmuskeln, kurze Hosen, robuste Wanderschuhe, Generalstabskarten, die sie sich in Plastikhüllen um den Hals gebunden hatten, falls es regnen würde. Prinzip Hoffnung. Banks grüßte, äußerte sich zum guten Wetter und stieg in den Cavalier. Der Sitz war so heiß, dass er fast sofort wieder aufgesprungen wäre.
Als er nach einer Kassette tastete, dachte er, dass Brian alt genug sei, um selbst zu entscheiden. Wenn er für den Versuch, zu Ruhm und Geld zu kommen, alles hinschmeißen wollte, dann war das seine Sache, oder?
Immerhin hatte Banks nun eine Aufgabe zu erledigen. Diesmal hatte Jimmy Riddle einen Fehler gemacht. Zweifellos war er überzeugt, Banks einen ätzenden, ausweglosen Auftrag erteilt zu haben, der ihm unzählige Möglichkeiten zur Blamage bot; zweifellos waren die Würfel zu seinem Nachteil gezinkt; aber alles war besser, als auf dieser Dienststelle zu versauern. Riddle hatte die eine, alles überragende Eigenschaft von Banks übersehen, die ihn selbst in einer schweren Phase nicht verließ: seine Neugier.
Kurz fühlte sich Banks wie ein Pilot mit Startverbot, der plötzlich wieder Flugerlaubnis erhalten hatte. Er schob Forever Changes von Love in den Rekorder und fuhr mit quietschenden Reifen los.
Die Signierstunde begann um halb sieben, aber Vivian Elmsley hatte der Pressedame Wendi gesagt, sie würde gern frühzeitig da sein, sich mit der Umgebung vertraut machen und mit der Belegschaft sprechen.
Schon um Viertel nach sechs hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Das war zu erwarten gewesen. Nach zwanzig Romanen in ebenso vielen Jahren war ein Auftritt von Vivian Elmsley inzwischen zu einem Ereignis geworden.
Obgleich ihr Ruhm und ihre Verkaufszahlen im Laufe der Jahre stetig gewachsen waren, war es ihre fünfzehnbändige Inspector Niven-Reihe gewesen, die es vor kurzem mit einem gut aussehenden Hauptdarsteller, einer Hochglanzproduktion und großem Budget auf die Fernsehleinwand geschafft hatte. Die ersten drei Folgen waren bereits ausgestrahlt und von der Kritik bejubelt worden (besonders erfreulich angesichts der Tatsache, dass viele Fernsehkritiker keine Krimis mehr sehen mochten), und dementsprechend war Vivians Gesicht in den letzten Monaten der Öffentlichkeit so vertraut geworden, wie es für einen Schriftsteller nur möglich war.
Sie war auf der Titelseite von Night & Day gewesen, war von Melvyn Bragg für die South Bank Show interviewt und in der Zeitschrift Woman's Own porträtiert worden. Immerhin war es eine Nachricht wert, wenn man mit über siebzig zum »Shooting Star« wurde. Manchmal wurde sie sogar auf der Straße erkannt.
Adrian, der alles organisiert hatte, reichte ihr ein Glas Rotwein, während Thalia die Bücher auf dem niedrigen Tisch vor dem kleinen Sofa arrangierte. Um Punkt halb sechs stellte Adrian sie mit den Worten vor, sie müsse nicht vorgestellt werden, und bei höflichem Applaus griff sie zu ihrem jüngsten Inspector Niven-Buch, Spuren der Sünde, und begann, aus dem Eingangskapitel zu lesen.
Ungefähr fünf Minuten würden reichen, nahm Vivian an. Weniger erweckte den Eindruck, sie könne nicht schnell genug wegkommen; bei längerem Lesen bestand die Gefahr, die Aufmerksamkeit des Publikums zu verlieren. Das Sofa war so weich und tief, dass sie darin zu versinken schien. Sie fragte sich, wie sie sich jemals daraus erheben sollte. Sie war ja kein gelenkiges junges Ding mehr.
Nach der Lesung stellten sich die Leute in einer ordentlichen Reihe an, und Vivian signierte die Bücher, hielt mit jedem Besucher einen kurzen Plausch, fragte nach einer besonderen Widmung und achtete darauf, die Namen richtig zu schreiben. Es war
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