Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Kehren wir also zu Bill zurück, ja?«
»Wenn Sie möchten.«
»Nein, Margaret, nicht ich. Das müssen Sie wollen.«
Maggie rutschte im Sessel herum. »Ja, gut.«
»Sie haben mir in den vorigen Sitzungen erzählt, dass Sie schon vor Ihrer Heirat Anzeichen für Aggressivität wahrnahmen. Können Sie mir mehr darüber sagen?«
»Ja, aber sie war nicht gegen mich gerichtet.«
»Gegen wen dann? Gegen die Welt im Allgemeinen?«
»Nein. Gegen gewisse Leute. Die etwas verbockt hatten. Zum Beispiel Kellner oder Lieferanten.«
»Hat er sie geschlagen?«
»Nein, er ist einfach durchgedreht, hat die Geduld verloren und die Leute angeschrien. Sie als Idioten, als Trottel beschimpft. Ich wollte sagen, dass er viel Aggressivität in seine Arbeit fließen ließ.«
»Aha. Er ist Jurist, stimmt's?«
»Ja. In einer großen Kanzlei. Und er wollte unbedingt Teilhaber Werden.«
»Ist er von Natur aus ehrgeizig?«
»Sehr. An der Highschool war er ein Sportass und wäre irgendwann vielleicht Profi-Footballer geworden, wenn er sich nicht bei einem Meisterschaftsspiel das Knie kaputt gemacht hätte. Er humpelt immer noch ein bisschen beim Gehen, aber er kann es nicht ertragen, wenn es einer merkt und ihn drauf anspricht. Hält ihn aber nicht davon ab, in der Softballmannschaft seiner Kanzlei mitzuspielen. Aber ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun haben soll.«
Dr. Simms beugte sich vor und senkte die Stimme. »Margaret, ich möchte, dass Sie verstehen, dass Sie einsehen, woher die Wut und Aggressivität Ihres Mannes kommen. Sie sind nicht der Grund dafür, es kommt von ihm. Es kommt auch nicht aus Ihrer Familie. Es kommt von seiner Seite. Erst wenn Sie das begreifen, wenn Sie begreifen, dass es sein Problem ist und nicht Ihres, werden Sie langsam zur Überzeugung gelangen, dass es nicht Ihre Schuld war, und erst dann werden Sie die Stärke und den Mut finden, weiterzumachen und Ihr Leben in vollen Zügen zu genießen, anstatt weiter dieses Schattendasein zu führen, das Sie jetzt haben.«
»Aber das habe ich schon verstanden«, widersprach Maggie. »Ich meine, ich weiß, dass er der Aggressive war, nicht ich.«
»Aber Sie fühlen es nicht.«
Maggie war enttäuscht; Dr. Simms hatte Recht. »Nein?«, fragte sie. »Wahrscheinlich nicht.«
»Kennen Sie sich mit Lyrik aus, Margaret?«
»Nicht sonderlich, nein. Nur was wir in der Schule durchgenommen haben, und auf der Kunstakademie hatte ich damals einen Freund, der immer so Sachen geschrieben hat. Furchtbare Ergüsse, wirklich. Der wollte mich einfach nur ins Bett bekommen.«
Dr. Simms lachte. Noch eine Überraschung, denn es war ein lautes, schallendes Gewieher. »Samuel Taylor Coleridge hat ein Gedicht geschrieben, das heißt Niedergeschlagenheit. Eine Ode<. Darin geht es teilweise um die Unfähigkeit, etwas zu empfinden, und in einer Zeile, die sich mir eingeprägt hat, beschreibt er, wie er sich die Wolken, den Mond und die Sterne ansieht und am Ende sagt: >Ich sehe - nicht fühle ich - wie schön sie sind<. Ich glaube, das trifft auch auf Sie zu, Margaret. Und ich glaube, dass Sie das wissen. Rationale Erkenntnis durch Logik bedeutet nicht zwangsläufig emotionale Akzeptanz. Und Sie sind ein sehr rationaler Mensch, trotz Ihrer unzweifelhaft kreativen Fähigkeiten. Wenn ich Jungianerin wäre, würde ich Sie wahrscheinlich als introvertierten, denkenden Typus einordnen. Und jetzt erzählen Sie mir mehr über die Zeit, als Bill Ihnen den Hof gemacht hat.«
»Da gibt's nicht viel zu erzählen.« Im Flur wurde eine Tür geöffnet und geschlossen. Kurz waren zwei Männerstimmen zu hören. Dann vernahm man nur noch das Gezwitscher und die Geräusche des Verkehrs auf The Headrow und der Park Lane. »Er hat mich wohl einfach umgehauen«, begann Maggie. »Es ist ungefähr sieben Jahre her. Ich war eine junge Absolventin der Kunstakademie, keinerlei beruflichen Erfolg, noch grün hinter den Ohren, hing mit Künstlertypen in Bars herum, hab in den Pubs und Cafes auf der Queen Street West philosophiert und gedacht, eines Tages würde ein reicher Mäzen vorbeikommen und mein Genie entdecken. Auf der Akademie hatte ich ein paar Affären gehabt, mit einigen Jungs geschlafen, nicht sonderlich befriedigend. Und plötzlich war da dieser große, dunkle, intelligente, gut aussehende Mann im Armani-Anzug und wollte mit mir in Konzerte und teure Restaurants gehen. Es war nicht das Geld. Das wirklich
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