Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Diskussion im Abendmagazin über Gewalt in der Ehe teilnehmen wollte. Eine Produktionsassistentin hatte den Artikel in der Zeitung gelesen und gedacht, Maggie würde einen geeigneten Gast abgeben. Es sollte in der Sendung nicht um Terence und Lucy Payne gehen, hatte die Produktionsassistentin betont. Über deren Taten dürfe nicht gesprochen werden. Die Gesetzeslage sei unklar, hatte die Frau dargelegt, bisher sei niemand des Mordes an den Mädchen angeklagt und der Hauptverdächtige sei tot, ohne überführt worden zu sein. Konnte man einen Toten des Mordes anklagen?, fragte sich Maggie.
Während das Taxi die Canal Road hinuntersauste, die Brücke überquerte und unter dem Viadukt hindurch auf die Kirkstall Road zufuhr, wo der Feierabendverkehr stockte, fühlte Maggie die Schmetterlinge in ihrem Bauch. Sie rief sich den Zeitungsartikel in Erinnerung, in dem Lorraine Temple alles verdreht hatte, und fragte sich erneut, ob sie das Richtige tat oder schnurstracks in ihren eigenen Untergang marschierte.
Aber sie hatte sehr gute, einleuchtende Gründe für ihre Entscheidung, redete sie sich ein. Zuerst einmal wollte sie das in der Zeitung vermittelte Bild der bösen, manipulativen Lucy Payne verändern, am liebsten sogar zurechtrücken. Hoffentlich würde sie das Thema anschneiden können. Lucy war ein Opfer, und das sollten die Leute kapieren. Außerdem wollte Maggie das farblose Mauerblümchen-Image ablegen, das Lorraine Temple ihr angehängt hatte. Sie wollte ihr Selbstwertgefühl stärken und ernst genommen werden.
Letztlich war der Polizist, dieser Banks, der Grund für ihre Zusage gewesen. Wie er sie in ihrem Haus angeschrien hatte, wie er ihren Verstand angezweifelt hatte und ihr vorschreiben wollte, was sie zu tun und zu lassen hatte. Dieses Arschloch. Dem würde sie es zeigen. Allen würde sie es zeigen. Jetzt war sie zu allem imstande, und wenn es ihre Aufgabe war, das Sprachrohr misshandelter Frauen zu sein, dann war es halt so; sie war bereit. Lorraine Temple hatte eh die Katze aus dem Sack gelassen, was Maggies Vergangenheit anging, da gab es nichts mehr zu verheimlichen, nun konnte sie genauso gut den Mund aufmachen und hoffen, anderen in derselben Lage zu helfen. Schluss mit dem farblosen Mauerblümchen.
Am Nachmittag hatte Julia Ford angerufen und ihr mitgeteilt, dass Lucy zu weiteren Vernehmungen nach Eastvale überstellt worden sei und wahrscheinlich über Nacht bleiben müsse. Maggie war erbost. Was hatte Lucy getan, um so behandelt zu werden? Irgendetwas war hier gewaltig aus dem Lot geraten.
Maggie bezahlte den Taxifahrer und steckte die Quittung ein. Der Sender würde das Geld erstatten, hatte man ihr gesagt. Sie stellte sich am Empfang vor, und die Frau hinter dem Tresen rief die Produktionsassistentin, eine gewisse Tina Driscoll. Sie entpuppte sich als rappeldürres fröhliches Mädchen Anfang zwanzig, hatte kurzes, gebleichtes Haar, einen blassen Teint und hohe Wangenknochen. Sie trug Jeans und eine weiße Bluse, wie die meisten Leute, die Maggie sah, als sie Tina durch das obligatorische Fernsehstudiolabyrinth folgte.
»Sie sind nach dem Pudelzüchter dran«, erklärte Tina mit einem Blick auf die Uhr. »Müsste um zwanzig nach sein. Hier ist die Maske.«
Tina schob Maggie in einen winzigen Raum voller Stühle, Spiegel und einem gewaltigen Aufgebot an Pudern, Pinseln und Tinkturen. »Genau hier, meine Liebe, ist schon richtig«, sagte die Maskenbildnerin, die sich als Charley vorstellte. »Dauert nicht lange.« Und schon begann sie, in Maggies Gesicht herumzutupfen und zu -pinseln. Zufrieden mit dem Ergebnis, sagte sie: »Kommen Sie hinterher kurz rein, das ist in null Komma nichts wieder runter.«
Maggie konnte keinen großen Unterschied feststellen, wusste aber von einem früheren Fernsehauftritt, dass die Kameras bei der Studiobeleuchtung die feinsten Nuancen einfingen.
»David macht das Interview«, erklärte Tina mit einem Blick auf ihr Klemmbrett, als sie zum Green Room gingen. David, so viel wusste Maggie, war David Hartford, die männliche Hälfte des Duos, das durch die Sendung führte. Die Frau hießTmma Larson. Maggie hatte gehofft, dass sie ihre Gesprächspartnerin sein würde. Emma hatte bei Frauenthemen immer einen verständnisvollen Eindruck gemacht, während David Hartford einen für Maggies Geschmack zynischen und herabsetzenden Ton anschlug, wenn er jemanden befragte, der seinen Standpunkt mit Leidenschaft vertrat. Außerdem war
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