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Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt

Titel: Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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bringen, indem man ein Buch las, während die Landschaft vorbeisauste. Maggie fand es lustig und verblüffend, dass sich Engländer immer über die Bahn beschwerten, obwohl British Rail einen tollen Eindruck machte auf jemanden aus Kanada, wo man Züge als notwendiges Übel betrachtete und ertrug, aber nicht unterstützte. Wahrscheinlich war das Klagen über Züge eine britische Angewohnheit, die aus der Zeit vor British Rail stammte, lange vor Virgin und Railtrack.
      Maggie konzentrierte sich wieder auf ihren Entwurf. Sie versuchte, den Gesichtsausdruck von Hänsel und Gretel festzuhalten, als sie im Mondlicht erkennen, dass die Spur aus Brotkrumen, mit deren Hilfe sie aus dem gefährlichen Wald zum sicheren Heim zurückzufinden hoffen, von Vögeln aufgepickt worden ist. Ihr gefiel die unheimliche Atmosphäre, die sie mit Bäumen, Zweigen und Schatten geschaffen hatte. Mit ein klein wenig Fantasie konnte man darin die Umrisse wilder Tiere und Geister erkennen, aber die Gesichter von Hänsel und Gretel stimmten immer noch nicht ganz. Es waren nur Kinder, mahnte sich Maggie, keine Erwachsenen, ihre Angst musste schlicht und natürlich wirken, musste Verlassensein zum Ausdruck bringen, die beiden mussten den Tränen nahe sein. Es war nicht die komplexe Angst von Erwachsenen, die zugleich Wut war und Entschlossenheit, einen Ausweg zu finden. Wirklich sehr unterschiedliche Mienen.
      Auf einer älteren Version des Entwurfs waren Hänsel und Gretel ein wenig wie jüngere Geschwister von Terry und Lucy geraten, so wie Rapunzel Ähnlichkeit mit Claire gehabt hatte. Maggie hatte die Skizze verworfen. Jetzt waren die Gesichter anonym, Gesichter, die ihr wahrscheinlich einmal in einer Menschenmenge aufgefallen waren und sich aus irgendeinem Grund in ihrem Unterbewusstsein festgesetzt hatten.
      Claire. Das arme Mädchen. Am Nachmittag hatte Maggie ein Gespräch mit Claire und ihrer Mutter geführt. Sie waren übereingekommen, dass Claire zu der Psychologin gehen sollte, die Dr. Simms empfohlen hatte. Das war wenigstens ein Anfang, dachte Maggie, auch wenn Claire möglicherweise Jahre brauchte, um die Störung zu verarbeiten, die Terry Paynes Taten, der Mord an ihrer Freundin und ihr eigenes Schuld- und Verantwortungsgefühl hervorgerufen hatten.
      Im Hintergrund erklang Pachelbels Kanon. Maggie konzentrierte sich auf die Zeichnung, verstärkte einen kleinen Chiaroscuro-Effekt, versilberte den Mondschein. Es bestand kein Anlass, die Skizze zu stark auszuarbeiten, da sie nur als Vorlage für eine Illustration diente, aber sie brauchte diese kleinen Anhaltspunkte für sich, wenn sie sich an die endgültige Version machte. Die würde natürlich anders sein, aber doch viele der kleinen Ideen aufgreifen, die sie jetzt hatte.
      Als sie trotz Musik etwas klopfen hörte, dachte sie, es sei ein neues Geräusch, das das Haus aufbot, um ihr Angst einzujagen. Doch als es kurz verstummte und dann etwas lauter in schnellerer Folge wieder begann, stellte sie die Anlage aus und lauschte.
      Da klopfte jemand an der Hintertür.
      Die Hintertür wurde nie benutzt. Sie führte auf ein schmutziges Gewirr aus Gassen und Gängen, die zur Sozialbausiedlung hinter The Hill führten.
      Doch wohl nicht Bill?
      Nein, redete Maggie sich ein. Bill war in Toronto. Außerdem war die Tür verschlossen, verriegelt und mit einer Kette gesichert. Sie fragte sich, ob sie 999 wählen sollte. Aber wie dumm würde sie in den Augen der Polizei aussehen, wenn es Claire oder Claires Mutter war. Oder sogar die Polizei selbst. Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass Banks hörte, wie närrisch sie sich verhalten hatte.
      Ganz langsam und leise bewegte sich Maggie. Auch wenn es fortwährend irgendwo knarrte - die Treppe blieb ziemlich stumm, das lag wohl an dem dickflorigen Teppich. Maggie holte einen von Charles' Golfschlägern aus dem Dielenschrank und tastete sich, den Schläger in der Hand, in Richtung Küchentür.
      Wieder klopfte es.
      Erst als Maggie vor der Tür stand, hörte sie eine vertraute Frauenstimme: »Maggie, bist du das? Bist du da? Lass mich rein, bitte!«
      Maggie stellte den Golfschläger ab, knipste die Küchenbeleuchtung ein und nestelte an den Schlössern herum. Als sie die Tür endlich öffnete, war sie verwirrt. Was sie vor sich sah, passte nicht zur Stimme. Da stand eine Frau mit kurzem blonden Igelschnitt, einer weichen schwarzen Lederjacke, T-Shirt und enger blauer Jeanshose. In der Hand hielt sie

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