Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
hatte aber nicht die geringste Ähnlichkeit mit Jodie Foster. Davor war Jenny bei Paul Britton in Leicester gewesen. Sie galt als einer der aufgehenden Sterne am relativ jungen Himmel der Kriminal-Psychologie.
Seinen ersten Fall in Eastvale hatte Banks zusammen mit Jenny Füller bearbeitet, und sie waren enge Freunde geworden. Beinahe mehr, aber irgendwie war immer etwas dazwischengekommen.
War wohl besser so, redete Banks sich ein. Aber wenn er Jenny sah, wollte ihm das häufig nicht einleuchten. Lippen wie denen von Jenny begegnete man selten, höchstens bei französischen Sexgöttinnen mit Schmollmund. Ihre Figur wölbte sich an genau den richtigen Stellen, und ihre Kleidung, meistens teure Sachen aus grüner oder rostbrauner Seide, schien an ihr zu schweben. Das war die »Verflüssigung der Kleider«, die der Dichter Robert Herrick besungen hatte, der alte Schwerenöter. Banks hatte Herrick in einer Lyrikanthologie entdeckt, die er durchackerte, weil er sich in dieser Hinsicht immer peinlich unbeschlagen vorgekommen war.
Zeilen wie die von Herrick blieben bei ihm hängen, so auch die über die »reizvolle Unordnung im Kleid«, die ihn aus irgendeinem Grund an Detective Sergeant Annie Cabbot erinnerte. Annie besaß nicht die augenfällige Schönheit von Jenny, nicht ihre Sinnlichkeit. Sie gehörte nicht zu den Frauen, denen Männer auf der Straße bewundernd hinterherpfiffen, aber sie war von einer tiefen, ruhigen Schönheit, die Banks sehr stark ansprach. Leider hatte ihm seine lästige neue Aufgabe nicht besonders viel Zeit mit Annie gegönnt. Stattdessen hatte er durch den Fall mehr und mehr Zeit mit Jenny verbracht und dabei festgestellt, dass das alte Gefühl, das unerklärliche, spontane Prickeln, nie vollständig erloschen war. Passiert war nichts zwischen ihnen, aber manchmal hatte es auf des Messers Schneide gestanden.
Annie wurde ebenfalls von ihrer Arbeit beansprucht. Im Dezernat »Interne Ermittlungen« der Western Division war die Stelle eines Detective Inspector frei geworden, und Annie hatte sich beworben, weil es die erstbeste Aufstiegsmöglichkeit gewesen war. Es war nichts Besonderes und trug mit Sicherheit nicht zu ihrer Beliebtheit bei, aber es war ein notwendiger Schritt auf ihrer Karriereleiter. Banks hatte sie dazu ermutigt.
Detective Constable Karen Hodgkins fädelte ihren kleinen grauen Nissan durch die Lücke, die die Polizei für sie in der Absperrung öffnete, und lenkte Banks von seinen Grübeleien ab. Sie stieg aus und kam auf ihn zu. Im Laufe der Ermittlungen hatte sich Karen als tatkräftige, ehrgeizige Mitarbeiterin erwiesen. Banks konnte sich vorstellen, dass sie es weit bringen würde, wenn sie ein Näschen für polizeiinterne Politik entwickelte. Sie erinnerte ihn ein wenig an Susan Gay, seinen ehemaligen Constable, mittlerweile Sergeant in Cirencester. Aber Karen hatte weniger Ecken und Kanten und wirkte selbstsicherer.
»Wie ist die Lage?«, erkundigte sich Banks.
»Unverändert. Lucy Payne steht unter Beruhigungsmitteln. Der Arzt sagt, wir können erst morgen mit ihr sprechen.«
»Haben wir die Fingerabdrücke von Lucy und ihrem Mann?«
»Ja, Sir.«
»Was ist mit ihren Sachen?« Banks hatte vorgeschlagen, die von Lucy Payne getragene Kleidung zur forensischen Untersuchung zu bringen. Im Krankenhaus würde sie sie eh nicht brauchen.
»Die müssten schon im Labor sein.«
»Gut. Was hatte sie an?«
»Ein Nachthemd und einen Morgenmantel.«
»Was ist mit Terence Payne? Wie geht's dem?«
»Hält noch durch. Aber die Ärzte sagen, selbst wenn er durchkommt, wird er ... na ja ... nur vor sich hin vegetieren ... sein Gehirn ist wohl ernsthaft beschädigt. Man hat Schädel-splitter im Gehirn gefunden. Es sieht so aus ... hm ...«
»Ja?«
»Der Arzt meinte, es sähe aus, als hätte die Kollegin, die ihn k. o. geschlagen hat, ein bisschen mehr Gewalt angewendet als nötig. Er war ziemlich sauer.«
»Ach ja?« Scheiße. Banks sah schon ein Gerichtsverfahren kommen, wenn Payne mit Hirnschaden überlebte. Damit sollte sich AC Hartneil herumschlagen, dafür war er schließlich da. »Wie kommt die Taylor zurecht?«
»Sie ist zu Hause. Eine Freundin ist bei ihr. Eine Kollegin aus Killingbeck.«
»Gut, Karen, ich möchte, dass Sie fürs Erste die Verbindung zum Krankenhaus aufrechterhalten. Wenn sich der Zustand der Patienten verändert - beider Patienten -, möchte ich das unverzüglich
Weitere Kostenlose Bücher