Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
wieder ansatzweise erlangte. Das gab ihm immer für eine Weile Hoffnung weiterzumachen. Ich hab oft gedacht, dass die Lieder Hilfeschreie waren, und Lukes Songs spiegeln das auf merkwürdige Weise wider.«
»Und Martin Armitage?«
»Körperbetont, vernünftig, kräftig, sauber. Fußball war sein Leben. Hat ihn aus der Gosse geholt und zu einem Nationalhelden gemacht. Und reich. Ich würd schon sagen, dass er gern sein Bierchen trinkt, aber ich glaube nicht, dass er mit Drogen experimentiert hat. Ich glaube, ihm fehlt die Fähigkeit, die offenbar ererbte Künstlerpersönlichkeit seines Stiefsohns zu begreifen oder zu akzeptieren. Er gehört wahrscheinlich zu den Leuten, die künstlerisches Interesse mit Homosexualität gleichsetzen. Er wollte bestimmt ein liebevoller Vater sein, hat den Jungen wie sein eigenes Kind behandelt, aber Luke hatte die Gene von Neil Byrd.«
»Und Robin?«
»Hm, das ist spannend«, sagte Banks. »Sag du's mir. Du hast sie öfter gesehen als ich.«
»Sie hat's früher wild getrieben: Sex, drugs and rock 'n' roll. Zu viel Ruhm und Geld in jungen Jahren machen so manchen kaputt. Wie auch immer, sie hat's überlebt, und zwar mit einem Sohn. Ich würde sagen, sie ist härter, als sie aussieht, und sie hat Luke wirklich geliebt, aber genauso wenig Ahnung gehabt wie ihr Mann, wie sie mit Lukes Problemen umgehen soll. Ich glaube, dass Jungen wie Luke sich ihre eigene Welt erschaffen, um die Erwachsenen auszuschließen und sich vor ihnen zu schützen, sogar vor den Gleichaltrigen. Wahrscheinlich war er meistens allein in seinem Zimmer und hat gelesen, geschrieben oder Lieder aufgenommen. Im schwarzen Zimmer.«
»Meinst du, er wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten?«
»Musikalisch vielleicht. Aber ich glaube, dass sein Verhältnis zum Vater sehr komplex und ambivalent war. Eine Mischung aus Bewunderung und Wut über das Verlassenwerden.«
»Aber das lässt sich alles nicht zu einem Motiv basteln, oder?«, sagte Banks. Er drückte die Zigarette aus. »Was ist mit Josie und Calvin Batty?«
»Als Verdächtige?«
»Nein, allgemein.«
»Josie ist bisher die Einzige, die behauptet hat, sie hätte Luke mit dem tätowierten Mädchen gesehen.«
»Norman Wells hat das Mädchen erkannt.«
»Schon«, stimmte Annie zu, »aber er hat sie nicht zusammen mit Luke gesehen. Das soll nicht heißen, dass wir sie nicht mehr suchen sollen, nur dass wir besser nicht alle Hoffnung auf sie setzen. Wir müssen nach allen Seiten offen bleiben.«
»Einverstanden.«
»Übrigens, Winsome hat alle Fahrzeuge überprüft, die in besagter Nacht in der Gegend von Eastvale gestohlen gemeldet wurden. Zwei kommen in Frage: Eins wurde in Hawes bei Wensleydale gefunden, das andere in Richmond.«
»Dann lassen wir Stefan mit seinen Leuten beide Wagen auf Blutflecken untersuchen.«
Annie notierte es sich. »Gut.«
Die Bedienung brachte das Mittagessen, ein Salatsandwich für Annie und Lasagne mit Pommes für Banks. Eigentlich aß er keine Lasagne im Pub, sie war zu matschig, aber Cyrils Frau Glenys konnte gut kochen.
»Wo wir gerade über Autos sprechen«, sagte Banks nach einigen Bissen. »Wie kommt die Forensik mit Norman Wells' Auto voran?«
»Stefan hat vor ein paar Stunden angerufen. Bisher nichts. Rechnest du wirklich mit einem Ergebnis?«
»Vielleicht nicht. Aber es muss gemacht werden.«
»Findest du, wir hätten ihn in der Zelle lassen sollen?«
Banks trank einen Schluck Bier. »Wir haben nichts gegen ihn in der Hand. Und er muss in seinem Laden stehen. Außerdem glaube ich nicht, dass Mr. Wells sich verdrückt.«
»Und Lauren Anderson?«
»Mich dünkt, die Dame beteuert zu viel.«
»Was soll das heißen?«
»Weiß nicht. Nur dass sie zu heftig auf normale Fragen reagiert hat.«
»Es klang, als hätte sie Luke unheimlich nah gestanden. Gefühlsmäßig, meine ich.«
»Aber sie hat ein Alibi. Bitte doch Winsome, das bei ihrem Bruder, diesem Vernon, zu überprüfen, nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie uns etwas vorlügt. Außerdem war es ein Mann, der das Lösegeld gefordert hat.«
»Ich will ja nicht sagen, dass sie es gewesen ist - ihre Sorge um ihn wirkte authentisch -, nur dass sie vielleicht mehr über Lukes Pläne wusste, als sie uns verraten hat.«
»Da hast du Recht«, sagte Banks. »Wir dürfen sie nicht ausschließen. Du
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