Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
getan?« Annie konnte sich gut vorstellen, welche Wirkung die Musik auf Luke zusammen mit den Drogen gehabt haben musste. Cannabis war nicht besonders gefährlich, konnte aber Angstzustände auslösen und Gefühle intensivieren und übersteigern. Annie kannte sich aus, als Jugendliche hatte sie es mehr als einmal probiert. Sie riss sich zusammen und fragte: »Wie hat Luke auf die Musik reagiert?«
»Er ist ausgeflippt. Einfach abgedreht. Ryan meinte, es wäre eine coole Sache, wenn wir ein Neil-Byrd-Lied covern, das Luke dann singt. Das würde echt für Publicity sorgen.«
»War euch nicht bewusst, wie kompliziert Lukes Verhältnis zu seinem leiblichen Vater ist? Wusstet ihr nicht, dass er sich nie Musik von Neil Byrd anhörte?«
»Doch, aber wir dachten, es wäre ein guter Moment, es mal zu probieren«, protestierte Liz. »Wir dachten, nach der Tüte wäre er, na ja, offen für neue Sachen. Wir dachten, er würde schon sehen, wie schön die Stücke von seinem Vater sind.«
»In einem Moment, wo er orientierungslos und hochsensibel war?« Ungläubig schüttelte Annie den Kopf. »Ihr seid noch viel dümmer, als ich gedacht habe. Dumm oder so egoistisch und blind, dass es auf dasselbe hinausläuft.«
»Das ist ungerecht! Es war keine böse Absicht.«
»Gut«, sagte Annie. »Sagen wir einfach, ihr habt die Lage falsch eingeschätzt. Was passierte dann?«
»Zuerst nichts. Es sah aus, als würde Luke sich das Lied anhören. Ryan hat die Akkorde mitgespielt, ein paar Griffe ausprobiert. Plötzlich ist Luke durchgedreht. Er hat Ryan die Gitarre aus der Hand gerissen, ist zum CD-Spieler gerannt, hat die CD rausgenommen und wollte sie zerbrechen.«
»Wie haben Sie beide reagiert?«
»Ryan hat versucht, Luke zu beruhigen, aber er war wie ... wie besessen.«
»Und das Blut?«
»Am Ende hat Ryan ihm einfach ins Gesicht geschlagen. Das hat geblutet. Luke ist ins Bad gerannt. Ich bin ihm hinterher, ich wollte sehen, ob alles in Ordnung war. Es hat nicht stark geblutet, so als wenn man einen auf die Nase kriegt. Luke hat in den Spiegel geguckt und ist wieder durchgedreht. Mit den Fäusten hat er gegen den Spiegel geschlagen. Ich wollte ihn beruhigen, aber er hat mich zur Seite geschubst und ist abgehauen.«
»Und das war alles?«
»Ja.«
»Sie sind ihm nicht hinterhergelaufen?«
»Nein. Wir dachten, er wollte am liebsten alleine sein.«
»Ein verstörter Fünfzehnjähriger auf einem schlechten Drogentrip? Oh, bitte, Liz. So dämlich können Sie doch nicht sein.«
»Ähm, wir waren schließlich auch breit. Ich kann nicht behaupten, dass wir, ähm, total logisch gedacht haben. Es kam uns einfach ... weiß nicht.« Sie senkte den Kopf und schluchzte.
Auch wenn Annie Liz die Geschichte glaubte, fiel es ihr schwer, Verständnis für das Mädchen aufzubringen. Juristisch gesehen, konnte man sie nur für ein leichteres Vergehen belangen. Wurde den beiden Fahrlässigkeit nachgewiesen, wäre es denkbar, dass sie des Totschlags für schuldig befunden wurden. Sicher, sie hatten Luke Drogen gegeben, aber noch immer wusste Annie nicht, woran und warum der Junge gestorben war.
»Wissen Sie, wo er hinwollte?«, fragte Annie.
»Nein«, sagte Liz schluchzend. »Wir haben ihn nicht mehr gesehen. Es tut mir so Leid. Es tut mir unendlich Leid.«
»Haben Sie Luke dann Valium gegeben, vielleicht um ihn zu beruhigen?«
Liz runzelte die Stirn und sah Annie in die Augen. »Nein. So was nehmen wir nicht.«
»Sie hatten also kein Valium zu Hause?«
»Nein.«
»Und das ist alles, was Sie mir erzählen können?«
»Ich hab Ihnen alles gesagt.« Liz sah Annie mit roten Augen an. »Kann ich jetzt gehen? Ich bin müde.«
Annie stand auf und bestellte einen uniformierten Kollegen. »Ja«, sagte sie. »Aber bleiben Sie in der Nähe. Wir werden uns noch mal mit Ihnen unterhalten.«
Nachdem Liz abgeführt worden war, schloss Annie die Tür des Vernehmungszimmers, setzte sich an den Tisch und stützte den pochenden Kopf in die Hände.
»Noch ein Glas, Alan?«
Banks' Bierglas war halb leer. Er hatte sich gerade mit Dave Grenfell und Paul Major für später verabredet, daher lehnte er Mrs. Marshalls Angebot ab und vertilgte stattdessen ein Sandwich mit Schinken. Das Bier war von einem Nachbarn selbst gebraut, und so schmeckte es auch.
»Weißt du, ich bin froh, dass wir das gemacht haben«, sagte Mrs. Marshall. »Den
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