Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
gewickelt. Das war schmutzig. Ungesund.
»Es hat jemand für dich angerufen, Alan«, sagte seine Mutter, als er zurück war.
»Wer denn?«
»Dieselbe Frau wie gestern Abend. Hast du schon eine neue Freundin?«
Schon? Sandra war seit fast zwei Jahren fort, erwartete inzwischen das Kind eines anderen Mannes, den sie heiraten wollte. Ob Banks schon eine neue Freundin hätte?
»Nein, Mum«, sagte er. »Sie ist von der Polizei in Peterborough. Das hab ich dir gestern Abend schon gesagt. Heutzutage dürfen da auch Frauen arbeiten.«
»Du brauchst gar nicht so frech zu werden. Iss jetzt, bevor es kalt wird.«
»Was hat sie gesagt?«
»Du sollst zurückrufen, wenn du Zeit hast. Ich hab die Nummer aufgeschrieben, falls du sie vergessen hast.«
Banks' Mutter verdrehte die Augen, als Banks aufstand und zum Telefon ging. Sein Vater bekam nichts mit; er hatte das Essen auf dem Schoß und aß mit den Fingern, vertieft in das Rennen in Newmarket. Das Bierglas schwankte bedenklich auf der Sessellehne.
Die Nummer, die auf dem Block neben dem Telefon im Flur stand, kannte Banks nicht. Das war auf keinen Fall das Revier. Neugierig wählte er.
»Hier Inspector Hart.«
»Michelle? Ich bin's. Alan Banks.«
»Ah, Chief Inspector Banks.«
»Ich sollte Sie zurückrufen. Ist das Ihre Handynummer?«
»Ja. Hören Sie, zuerst mal wollte ich mich entschuldigen, wie sich Detective Superintendent Shaw heute Morgen benommen hat.«
»Schon gut. Ist ja nicht Ihre Schuld.«
»Ich kam mir nur ... na ja, egal, mich wundert bloß, dass ihn der Fall so interessiert. Ist doch gar nicht seiner. Ich hatte gedacht, er würde nur noch die Zeit bis zur Pensionierung absitzen; jetzt klebt er an mir wie eine Klette.«
»Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
»Fahren Sie nach Hause?«
»Ja.«
»Wann?«
»Weiß nicht. Heute Nachmittag. Heute Abend. Ich muss mich hier nicht aufdrängen.«
»Hören Sie auf, sich zu bemitleiden. Das steht Ihnen nicht. Ich dachte nur, ob wir uns nicht noch einmal unterhalten wollen, bevor Sie fahren. Falls Sie nicht in Eile sind?«
»Warum sollte ich?«
»Vielleicht weil ich Sie nicht wie einen unerwünschten Eindringling behandelt habe, obwohl Sie am Anfang alles andere als höflich waren.«
»Na, gut. Warum nicht.«
»Sagen wir um halb sechs im Starbucks am Cathedral Square?«
»Da gibt's ein Starbucks? In Peterborough?«
»Wundert Sie das? Wir sind richtig modern hier. Aber es gibt auch ein McDonald's, wenn Ihnen das lieber ist?«
»Nein. Starbucks ist in Ordnung. Also um halb sechs. Dann hab ich noch genug Zeit, um zu packen und mich zu verabschieden. Bis später!«
Annie und Gristhorpe trafen noch rechtzeitig am Hallam Tarn ein, um zu verfolgen, wie zwei Taucher der Polizei die Leiche herausholten und ans Ufer brachten. Peter Darby, der Tatortfotograf, saß in einem Schlauchboot und filmte das Geschehen. Er hatte bereits mehrere Standfotos und Sofortaufnahmen der Stelle gemacht, wo Andrew Naylor die Leiche entdeckt hatte. In Helmthorpe hatte jemand trockene Kleidung für Naylor besorgt, jetzt stand er bei der kleinen Gruppe und kaute auf seinen Fingernägeln. Die Taucher näherten sich dem Ufer.
Dort angekommen, legten sie die Leiche ins Gras zu Füßen von Dr. Burns, dem Polizeiarzt. Dr. Glendenning, der Pathologe aus dem Innenministerium, war verhindert. Er war nach Scarborough geschickt worden, um dort einem Kollegen bei einem schwierigen Fall zu helfen. Detective Sergeant Stefan Nowak, der Tatort-Koordinator, war mit seinen Kollegen von der Spurensicherung unterwegs.
Tja, dachte Annie mit gewisser Erleichterung, wenigstens keine Wasserleiche. Mehr als einmal war Annie dabei gewesen, wenn ein aufgedunsener, unförmiger Fleischklumpen aus dem Wasser gezogen wurde. Sie war nicht unbedingt scharf darauf. Doch als sie das Gesicht des Toten erkannte, hätte sie gerne mit zehn Wasserleichen vorlieb genommen. Es war Luke Armitage. Ohne jeden Zweifel. Er trug ein schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans, wie Robin gesagt hatte. Außerdem hatte er nicht so lange im Wasser gelegen, dass sein Gesicht nicht mehr wiederzuerkennen gewesen wäre. Die Haut war weiß und zeigte Symptome von cutis anserina, besser bekannt als Gänsehaut. Die normalerweise lockigen Haare waren glatt und klebten wie Seetang am Kopf.
Annie trat zu Seite, damit Dr. Burns die In-situ-Untersuchung
Weitere Kostenlose Bücher