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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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sah Melissa vor dem Schultor, Melissas goldene Locken, ihr blaues Blümchenkleid, die anderen Kinder um sie herum, die wachsamen Lehrer in der Nähe. Plötzlich entdeckte Melissa auf der anderen Straßenseite ein Auto, das wie der Wagen ihres Vaters aussah. Obwohl sie immer auf ihrer Straßenseite abgeholt wurde, winkte Melissa, lächelte und lief, bevor sie jemand aufhalten konnte, vor den herankommenden Lastwagen.
      Als Michelle ins Bett ging, nahm sie Melissas Kleid, das Kleid, in dem sie gestorben war, von der Kommode, legte sich hin, vergrub das Gesicht im Stoff und weinte sich in den Schlaf.
     
     

* 10
     
    Als Annie am nächsten Morgen vor dem Büro von Assistant Chief Constable McLaughlin in der Grafschaftszentrale wartete - sie war »vorgeladen« worden fühlte sie sich wie an dem Tag, als ihr Erdkundelehrer sie zum Direktor geschickt hatte, weil sie einen Schulatlas mit ihren eigenen kartografischen Künsten verziert hatte: schaurige Meeresungeheuer und Warnungen, »Achtung! Wilde Bestien!«.
      Annie hatte keine Angst vor Vorgesetzten und machte sich bei ihrer täglichen Arbeit selten Gedanken um Dienstgrad oder Status einer Person, aber bei dieser Vorladung war ihr mulmig. Nicht wegen des »Roten Ron«, der war hart, aber gerecht und stand hinter seinen Leuten, sondern wegen der Situation, in die sie geraten konnte.
      Annie hatte das Gefühl, einen Fehler nach dem anderen gemacht zu haben, seit sie beschlossen hatte, sich wieder auf ihre Karriere zu konzentrieren. Zuerst war sie vor mehreren Kollegen Hals über Kopf den Hang am leeren Stausee von Harkside hinuntergerutscht, obwohl es ihr der verantwortliche Beamte untersagt hatte, dann hatte sie während eines kurzen, aber nicht zu kurzen Gastspiels im Dezernat »Interne Ermittlungen« ein Debakel erlebt, als sie gegen Janet Taylor, Police Constable in der Probezeit, wegen Gewaltanwendung ermittelte. Und jetzt gab man ihr die Schuld an der Ermordung von Luke Armitage. Es dauerte bestimmt nicht mehr lange, dann würde sie den Beinamen »Pannen-Annie« bekommen. Vielleicht hieß sie schon so. »Hey, hast du einen Fall, den du so richtig in den Sand setzen willst? Gib ihn Pannen-Annie, die sorgt schon dafür.«
      So viel zum Thema wiederbelebte Karriere. Aber sollte sie untergehen, dann mit emporgerecktem Mittelfinger.
      Die Welt ist ungerecht, dachte Annie. Sie war eine wirklich gute Polizistin. Was sie getan hatte, war unter den gegebenen Umständen richtig gewesen; es war bloß alles in die falsche Richtung gelaufen, deshalb stand sie nun am Pranger.
      Die Sekretärin vom Roten Ron öffnete die Tür und geleitete Annie in McLaughlins Büro. Wie es seinem Dienstgrad als stellvertretendem Polizeipräsident gebührte, war es noch größer als das von Detective Superintendent Gristhorpe, und der Teppich war dicker. Immerhin hatte McLaughlin keine Bücher, die Annie in Gristhorpes Büro so einschüchternd fand.
      Der Rote Ron hatte das Zimmer mit Hilfe einiger Kleinigkeiten persönlicher gestaltet, als er den Posten vor acht Monaten angetreten hatte: Auf dem Schreibtisch stand ein Bild seiner Frau Carol, an der Wand hing ein Druck von Constables Die Schleuse. In der Vitrine drängten sich Pokale und Erinnerungsfotos vom Roten Ron mit verschiedenen Polizeisportmannschaften. Von Rudern bis Bogenschießen war alles vertreten. Der Stellvertretende machte einen sportlichen Eindruck, man munkelte, er trainiere für einen Marathon. Außerdem hatte er angeblich eine Flasche feinsten Single Malt in der untersten Schublade, aber Annie erwartete nicht, etwas angeboten zu bekommen.
      »Detective Inspector Cabbot«, begrüßte McLaughlin sie über die Gläser seiner Nickelbrille hinweg. »Nehmen Sie Platz! Ich bin sofort soweit.«
      Annie setzte sich. Irgendwas an ihm war anders. Dann wusste sie es. Der Rote Ron hatte sich den Schnurrbart abrasiert. Annie staunte, dass er eine Oberlippe hatte. Sie hatte immer geargwöhnt, Männer ließen sich Schnäuzer und Bärte wachsen, um schmale Backenknochen und dünne Lippen zu überspielen. Sein schütter werdendes silbergraues Haar war kurz geschnitten. Er ließ es nicht an einer Seite lang wachsen, um es über die kahle Mitte zu kämmen. Annie hatte das noch nie verstanden. Was war so schlimm daran, sein Haar zu verlieren? Sie kannte einige Männer mit Glatze, die sexy waren. Wahrscheinlich war es eine alberne Machofrage, genau wie das Brimborium um die Penislänge. Waren alle Männer so unglaublich

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