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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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als so manche Gaststätte. Draußen hingen Blumenkörbe, die Fenster waren bleiverglast, innen glänzte dunkles Holz. Michelle hatte sich so lässig wie möglich gekleidet, ein mittellanger Rock, ein rosa Pulli mit V-Ausschnitt und eine leichte Wolljacke, dennoch wäre sie in dieser Aufmachung in vielen Londoner Pubs zu schick angezogen gewesen. Dieses Lokal wurde hingegen in erster Linie von Geschäftsleuten zum Mittagessen besucht. Es gab sogar einen abgetrennten Restaurantbereich ohne Zigarettenqualm und Spielautomaten, wo immerhin am Tisch bedient wurde.
      Lancaster, der, wie er angekündigt hatte, eine Nelke im Knopfloch seines grauen Anzugs trug, war ein gut aussehender Mann mit vollem silbergrauem Schopf und einem Funkeln in den Augen. Vielleicht ein bisschen zu füllig, dachte Michelle, als er aufstand und sie begrüßte, aber für sein Alter hatte er sich gut gehalten, er musste um die siebzig sein. Sein Gesicht war gerötet, aber ansonsten sah er nicht aus wie ein Trinker. Jedenfalls hatte er nicht die verräterischen geplatzten rotblauen Äderchen wie Shaw.
      »Mr. Lancaster«, grüßte sie und nahm Platz. »Vielen Dank, dass Sie eingewilligt haben, sich mit mir zu treffen.«
      »Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte er. Lancaster hatte noch immer einen leichten Cockney-Akzent. »Seit meine Kinder flügge geworden sind und meine Frau tot ist, nutze ich jede Gelegenheit, um aus dem Haus zu kommen. Außerdem kann ich nicht jeden Tag ins West End gehen und mit einem schönen Mädchen zu Mittag essen.«
      Michelle lächelte und errötete leicht. Ein Mädchen hatte er sie genannt, dabei war sie im letzten September vierzig geworden. Aus irgendeinem Grund fand sie Lancasters Chauvinismus nicht beleidigend; sein Verhalten wirkte so drollig und altmodisch, dass sie sein Kompliment annahm und ihm übertrieben huldvoll dankte. Sie würde ja merken, ob er anstrengender wurde.
      »Ich hoffe, Ihnen gefällt das Lokal, das ich ausgesucht habe.«
      Michelle begutachtete die Tische mit den weißen Leinendecken, das schwere Besteck und die herumhuschenden Kellnerinnen in ihrer schwarzen Kleidung. »Ja, sehr gut«, sagte sie.
      Lancaster lachte, es klang kehlig. »Sie können sich nicht vorstellen, wie das hier früher aussah. Anfang der Sechziger war das ein richtiger Unterwelttreff. Vor allem die obere Etage. Sie würden sich wundern, was da geplant wurde, was die da für Geschäfte gemacht haben.«
      »Aber jetzt nicht mehr, oder?«
      »Nein, nein. Jetzt ist das ein ehrenwertes Haus.« In Lancasters Stimme lag eine Spur Bedauern.
      Eine Kellnerin mit Bestellblock erschien.
      »Was möchten Sie trinken?«, fragte Lancaster.
      »Einen Fruchtsaft, bitte.«
      »Orange, Grapefruit oder Ananas?«, fragte die Kellnerin.
      »Orangensaft bitte.«
      »Und ich nehme noch ein Glas Guinness, bitte«, sagte Lancaster. »Möchten Sie auch bestimmt nichts Stärkeres, meine Liebe?«
      »Nein, ist schon gut, danke.« In Wahrheit hatte Michelle am Morgen die Nachwirkungen des Weins vom letzten Abend gespürt und beschlossen, ein, zwei Tage die Finger vom Alkohol zu lassen. Noch hatte sie es unter Kontrolle. Tagsüber trank sie nie, nur abends allein in der Wohnung, wenn die Vorhänge geschlossen waren und der Fernseher lief. Aber wenn sie diese Schwäche nicht im Keim erstickte, wäre sie bald die Nächste mit geplatzten Äderchen auf der Nase.
      »Das Essen ist hier nicht schlecht«, sagte Lancaster, als die Kellnerin die Getränke holte. »Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, würde ich allerdings die Finger vom Lammcurry lassen. Als ich das letztens gegessen hab, hatte ich anschließend einen Bauch wie ein Biafra-Kind.«
      Michelle hatte selbst am vergangenen Abend ein Curry gegessen, von dem sie zwar keinen Biafra-Bauch bekommen hatte, aber es war auch nicht ohne gewesen. Sie wollte etwas Einfaches essen, das nicht mit ausgefallenen Saucen überladen war, etwas Englisches.
      Die Kellnerin brachte Orangensaft und Guinness und fragte, ob sie eine Speise gewählt hätten.
      »Ich nehme die Cumberland-Wurst mit Kartoffelbrei«, sagte Michelle. Zum Teufel mit der Diät, dachte sie. Lancaster bestellte Roastbeef.
      »Bratwurst mit Kartoffelbrei«, sagte er grinsend, als sich die Kellnerin entfernt hatte. »Toll. Heute gibt es nicht mehr viele, die traditionell essen. Immer dieses grässliche ausländische Zeug, stimmt's?«
      »Ich hab hin und wieder nichts gegen Nudeln

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