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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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oder Curry«, sagte Michelle, »aber manchmal gibt es nichts Besseres als traditionelle englische Küche.«
      Lancaster schwieg eine Weile, trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Michelle spürte, dass er den nächsten Gang einlegte. Der altmodische Charmeur wurde zum kampferprobten Bullen. Er war neugierig, warum sie ihn hatte treffen wollen, ob er auf der Hut sein musste. Sie sah es an seinen Augen, sein Blick wurde schärfer, wachsamer. Michelle wollte ihn beruhigen, fand dann aber, es sei das Beste abzuwarten, wie er sich verhielt. Fürs Erste.
      »Der Bekannte, der Sie an mich verwiesen hat, meinte, Sie wollten was über Reggie und Ronnie wissen.«
      Jetzt war es heraus. Die gefürchteten Worte. Reggie und Ronnie. Die Krays.
      »Stimmt«, sagte Michelle. »Ich erkläre es Ihnen besser.«
      Während Michelle Lancaster von den Marshalls und von Grahams Schicksal erzählte, lauschte Lancaster, trank zwischendurch sein Bier und nickte hin und wieder.
      »Sie verstehen also«, schloss sie, »dass es nicht unbedingt die Zwillinge sind, jedenfalls nicht nur sie, für die ich mich interessiere.«
      »Aha«, sagte Lancaster und trommelte wieder mit den Fingern. Das Essen kam, und beide kosteten. Erst danach sprachen sie weiter. »Wie ist die Bratwurst?«, erkundigte sich Lancaster.
      »Gut«, sagte Michelle. Sie fragte sich, ob er ihr überhaupt würde helfen können oder ob es eine angenehme, aber sinnlose Unterhaltung würde.
      »Gut. Gut. Ich hab Billy Marshall und seine Familie gekannt«, sagte Lancaster. Er stopfte sich Roastbeef und Kartoffelbrei in den Mund und sah Michelle mit großen, ausdruckslosen Augen an, kaute, wartete auf ihre Reaktion. Sie war überrascht, aber sie freute sich, dass Banks' Information sie ein Stück weitergebracht hatte.
      »Billy hat damals bei mir um die Ecke gewohnt, wir waren auf derselben Schule, haben auf derselben Straße gespielt. Wir haben sogar im selben Pub getrunken«, sagte Lancaster, nachdem er sein Essen mit Bier hinuntergespült hatte. »Wundert Sie das?«
      »Ein bisschen schon. Obwohl ich sagen muss, dass ich mich heutzutage nicht mehr über vieles wundere.«
      Lancaster lachte. »Da haben Sie Recht, meine Liebe. Die Welt hat sich verändert. Hören Sie, Sie müssen wissen, aus welcher Gesellschaftsschicht die Kripo-Leute damals stammten, Michelle. Darf ich Sie Michelle nennen?«
      »Ja, gerne.«
      »Die ersten Kripo-Polizisten kamen selbst aus dem Milieu. Die kannten sich auf beiden Seiten des Gesetzes bestens aus. Jonathan Wild zum Beispiel, der berühmte Verbrecherkönig. Hat immer nur die Hälfte seiner Verdächtigen eingelocht. Wussten Sie das? Am Ende haben sie ihn gehängt. Und Vidocq, der Franzose? Dieb, Polizeispitzel, Meister der Verkleidung. Ein Verbrecher. Damals, da waren wir unserem Ideal wohl ein bisschen näher als die Bürohengste, die heute bei der Polizei sind, wenn ich das sagen darf. Damit will ich nicht sagen, dass ich selbst kriminell gewesen wäre, aber manchmal war ich so nah dran, dass ich heute weiß, wie schmal dieser Grat ist. Ich weiß genau, wie die Kollegen damals dachten. Und Sie glauben doch keine Minute lang, dass die anderen das nicht auch wussten, oder?«
      »Sie haben also manchmal ein Auge zugedrückt?«
      »Genau. Ich bin mit Bill Marshall zur Schule gegangen, eine Straße weiter aufgewachsen. Der einzige Unterschied war: Er war dumm wie Bohnenstroh und konnte sich prügeln, und ich, na ja, ich war klug und geschickt, aber ein großer Raufbold war ich nie. Es reichte, um mich zu behaupten. Und glauben Sie mir, da kam man nicht drumrum, sonst war man erledigt. Wenn's Ärger gab, hab ich mich rausgeredet, und wenn das nicht reichte, hab ich Fersengeld gegeben. Meistens hab ich's mit meinem Mundwerk geschafft. Kein Wunder, dass wir verschiedene Wege gegangen sind, was? Das Komische ist, dass bei mir eine Zeit lang beide Richtungen denkbar waren. Als Jugendlicher bin ich etwas aus dem Ruder gelaufen, hab mich hin und wieder geprügelt. Ich kenne den Hintergrund von Leuten wie Reggie und Ronnie ganz genau. Wir haben im selben Stadtteil gewohnt, wir bekamen alles mit. Ich wusste, wie die Ganoven denken. Ich hätte meine Geschicklichkeit ohne weiteres für kriminelle Zwecke nutzen können, so wie Reggie und Ronnie oder andere ...« Lancaster ließ den Satz schweben und aß ein Stück Roastbeef.
      »Wollen Sie damit sagen, das Ganze hatte nichts mit Moral zu tun?«, fragte Michelle.

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