Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
er hatte keine Ausrede wie beispielsweise Unkrautjäten. »Aber ich würde gerne einen Kaffee trinken, wenn das geht.«
»Leider nur Instantkaffee.«
»Das macht nichts.«
»Kommen Sie bitte.«
Sie gingen in eine kleine, hübsch eingerichtete Küche. Die Maserung der Ahornschränke über den schiefergrauen Arbeitsflächen verlief horizontal, was den Raum größer wirken ließ. Banks setzte sich in eine Frühstücksecke mit rot-weiß kariertem Tischtuch. Barlow bereitete den Kaffee zu.
»Daddy, wer ist das?«
Ein ungefähr sechzehnjähriges Mädchen erschien in der Tür, sie hatte langes blondes Haar und nackte Beine. Sie erinnerte Banks ein bisschen an Kay Summerville.
»Das ist ein Polizist, der über Luke Armitage reden möchte, Rose. Ab mit dir.«
Rose zog eine Schnute, drehte sich demonstrativ um und stolzierte davon. »Töchter«, sagte Barlow. »Haben Sie auch welche?«
Banks erzählte von seiner Tochter Tracy.
»Tracy Banks. Na klar, ich erinnere mich. Ich hätte ja bloß zwei und zwei zusammenzählen müssen, als Sie mir Ihren Ausweis gezeigt haben. Tracy. Kluges Mädel. Wie geht's ihr?«
»Gut. Sie hat gerade das zweite Studienjahr in Leeds abgeschlossen. Geschichte.«
»Grüßen Sie sie von mir, wenn Sie sie sehen. Besonders gut hab ich sie nicht gekannt... ich hab so viele Schüler und so wenig Zeit ... aber ich hab mich ein paarmal mit ihr unterhalten.«
Gavin Barlow hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Tony Blair, fand Banks. Er war auf jeden Fall eher ein Ausbildungsmanager als ein Direktor der alten Schule wie sein Vorgänger Mr. Buxton. Banks erinnerte sich an den alten Pauker, der im Gallows-View-Fall noch im Amt gewesen war, Banks' erster Fall im Norden. Buxton mit seinem Fledermaus-Cape und der zerfledderten Cicero-Ausgabe auf dem Pult gehörte zu einer aussterbenden Art. Gavin Barlow hielt »Latein« bestimmt für einen südamerikanischen Tanz ... nein, das war ungerecht. Immerhin spielte der Radiosender, den Barlow eingestellt hatte, um elf Uhr morgens »Epistrophy« von Thelonious Monk. Ein gutes Zeichen.
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen viel über Luke erzählen kann«, sagte Gavin Barlow und brachte die beiden Becher Instantkaffee zum Tisch. Er nahm gegenüber von Banks Platz. »Normalerweise sind es nur die Krawallmacher, um die ich mich kümmern muss.«
»Und Luke war kein Krawallmacher?«
»Nein, ganz und gar nicht! Wenn er sich nicht hin und wieder mal bewegt hätte, hätte man ihn gar nicht bemerkt.«
»Keinerlei Ärger?«
»Eigentlich nicht. Und mit den kleineren Problemen kam sein Tutor ganz gut zurecht.«
»Was war das?«
»Luke mochte keine Mannschaftsspiele, und einmal hat er eine Entschuldigung gefälscht, hat geschrieben, er hätte eine Magenverstimmung. Der Sportlehrer kam dahinter, weil Luke diese Entschuldigung ein paar Monate vorher schon mal vorgelegt hatte. Luke hatte lediglich ein neues Datum eingesetzt. War nicht schlecht gemacht.«
»Und? Gab es Ärger?«
»Nicht viel. Nachsitzen, Verwarnung an die Eltern. War komisch, weil er gar nicht schlecht war.«
»Worin war er nicht schlecht?«
»Beim Rugby. Luke war ein ganz anständiger Spieler. Schnell und wendig. Wenn er Lust hatte.«
»Aber er mochte keine Mannschaftsspiele?«
»Er interessierte sich nicht für Sport. Viel lieber las er oder saß einfach in der Ecke und starrte aus dem Fenster. Wer weiß, was ihm durch den Kopf ging.«
»Hatte Luke engere Freunde in der Schule, andere Schüler, denen er sich vielleicht anvertraut hat?«
»Das weiß ich nicht. Er sonderte sich immer ein bisschen ab. Wir fördern natürlich Gruppenaktivitäten, aber man kann nicht jeden ... ich meine, wir können keinen zwingen, sich mit den anderen abzugeben, oder?«
Banks zog das Phantombild des Mädchens aus der Brieftasche, das Josie Batty zusammen mit Luke bei HMV gesehen hatte. »Kennen Sie dieses Mädchen?«, fragte er.
Barlow kniff die Augen zusammen, dachte angestrengt nach und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Kann ich nicht behaupten. Damit meine ich nicht, dass wir keine Schülerinnen hätten, die sich in diesem Stil kleiden, aber viele sind es nicht, und keine sieht wie diese hier aus.«
»Sie haben dieses Mädchen oder jemand Ähnliches also nie zusammen mit Luke gesehen?«
»Nein.«
Banks steckte die Zeichnung wieder ein. »Was ist mit seinen schulischen
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