Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Warum hatte Moore/Masefield/Whitaker oder wer auch immer es war, die Gans getötet, die goldene Eier legte? Es sei denn ... es sei denn, überlegte Annie, die Turner-Bilder gehörten gar nicht zum Plan des Superhirns und der Strippenzieher war der Meinung, sie machten alles kaputt und verrieten ihn. Phil hatte gesagt, dass jeder ernst zu nehmende Fälscher sich an die zweite Reihe hielt, an Maler, die einen ordentlichen Preis einbringen, aber nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, also keinesfalls Künstler wie Turner oder van Gogh. Und Phil musste es wissen. Es war sein Metier. Er war der Fachmann. Tote Künstler waren sicherer, besonders wenn sie schon so lange tot waren, dass es niemanden mehr gab, der sie persönlich gekannt hatte. So war die Provenienz leichter zu fälschen.
Winsome kam mit einer Hand voll Zettel vorbei, die sie in HOLMES eingegeben hatte.
»Und?«, fragte Annie.
»Ich hab schon blutige Finger. Ich weiß nicht, ob das was bringt.« Sie legte die Zettel auf Annies Schreibtisch. »Das ist die Liste mit Strafzetteln in und um Askham Bar. Man sollte meinen, dass einen bei so vielen Nummernschildern irgendwas anspringt, oder?«
»Der >Son of Sam«
»Ja, so was.«
»Lust auf ein Gläschen im Pub?«
Winsome grinste. »Du sprichst mir aus der Seele.«
Annie überflog die Auflistung von Kennzeichen, die in der Gegend von Kirks Autovermietung einen Strafzettel bekommen hatten. Eine Nummer sprang ihr ins Auge. Das konnte nicht sein. Das war nicht möglich. Sie sah noch einmal hin. Vielleicht hatte sie das Kennzeichen falsch in Erinnerung. Nein, hatte sie nicht. Hatte sie nie.
Als Banks am Abend nach Hause kam, war er gereizt. Er wusste, dass es an dem Streit mit Annie lag. Er meinte, nicht allzu plump gewesen zu sein - vielleicht hatte sie einfach überreagiert? Wenn man verliebt war, benahm man sich nicht immer logisch. War Annie in Keane verliebt? Diese Vorstellung verbesserte Banks' Laune nicht unbedingt. Er goss sich eine großzügige Portion Laphroaig ein, »Cask-strength«, und schob ein Streichquartett von Schubert in den CD-Player. Hätte er Annie von Helen erzählen sollen? Besser nicht. Jetzt wurde Banks klar, was er tun musste: mit Keane sprechen und ihm nahe legen, Annie selbst aufzuklären. Wenn er so eine offene Ehe führte, hatte er ja wohl nichts zu verbergen. Annie würde das nicht gefallen, wahrscheinlich würde sie sofort die Beziehung beenden, aber das wäre dann Keanes Problem, nicht Banks'.
Er überlegte, ob er lieber Eric Ambler weiterlesen oder ein Uefa-Cup-Spiel im Fernsehen ansehen sollte, da klopfte es an der Tür. Es war zu spät für einen Vertreter, davon gab es sowieso nicht mehr viele, und ein Bekannter hätte vorher angerufen. Neugierig stellte Banks das Glas zur Seite und ging zur Tür.
Überrascht und mehr als verblüfft erblickte er Phil Keane auf der Schwelle. Keane grinste und hatte eine Flasche in der Hand. Natürlich hatte Banks noch einmal mit Keane sprechen wollen, aber nicht in seinem Cottage und nicht jetzt, da er Ruhe und Entspannung und dazu die wohltuenden Klänge Schuberts brauchte. Aber manchmal musste man einfach nehmen, was einem vorgesetzt wurde.
»Darf ich reinkommen?«, fragte Keane.
Banks trat zur Seite. Keane hielt ihm die Flasche entgegen. »Ein kleines Geschenk. Hab gehört, Sie mögen einen guten Single Malt.«
Banks sah auf das Etikett: Glenlivet. Nicht gerade sein Favorit. »Danke«, sagte er und wies auf sein Glas. »Ich bleibe erst mal bei dem da, wenn es Ihnen nichts ausmacht.« Es wirkte zwar paranoid, aber Banks hatte sonderbar wenig Lust, irgendetwas zu trinken, was ihm dieser Mann anbot. Zuerst musste er ein für alle Mal klären, ob Keane der Mann war, der er vorgab zu sein. »Möchten Sie etwas?«, fragte er. »Das ist ein Islay, Cask-strength.«
Keane zog den Mantel aus und legte ihn über einen Stuhl, dann setzte er sich in den Sessel gegenüber von Banks' Sofa. »Nein, danke. Ich mag dieses Torfige nicht, und Caskstrength ist viel zu stark für mich. Ich bin ja mit dem Auto da.« Er klopfte auf die Flasche, die er mitgebracht hatte. »Ich nehme ein bisschen hiervon, wenn es Sie nicht stört.«
»Kein Problem.« Banks holte ein Glas, goss sich in der Küche Laphroaig nach und nahm die Flasche mit ins Wohnzimmer. Wenn er sich mit Keane aussprechen wollte, würde er vielleicht noch etwas gebrauchen können.
»Wissen Sie«, sagte Keane, nippte an
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