Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
Mädchen eine Blume auf der Wange hatte. Eine Kornblume.«
Banks nickte. »Merchants Markenzeichen. Genau wie bei Linda Lofthouse.«
»Das wurde nie öffentlich gemacht.«
»Komisch, nicht wahr?«, bemerkte Banks. »Wenn man das getan hätte, ständen wir jetzt vielleicht nicht hier.« Er schlug seinen Jackenkragen hoch. Seine Zähne klapperten.
»Kalt?«, fragte Annie.
»So langsam.«
»Übrigens«, bemerkte sie. »Eben gerade kam Kev Templeton aus dem Büro von Superintendent Gervaise gestürmt. Sah aus, als hätte er einen Arschtritt bekommen.«
Banks grinste. »Es gibt also doch noch Gerechtigkeit.« Er warf einen Blick auf die Uhr. Halb acht. »Ich habe einen Riesenhunger«, sagte er, »und ich könnte ordentlich was zu trinken vertragen. Wie sieht's bei dir aus?«
»Kannst du das wirklich schon wieder?«
Banks schaute Annie mit unergründlichem Blick an. Die grellen Bogenlampen warfen Licht und Schatten auf sein Gesicht, und seine Augen waren von einem durchdringenden Blau. »Los«, sagte er und schritt aus. »Ich bin hier fertig.«
* Montag, 29. September 1969
Der verlassene Kanalabschnitt lag an einem Schrottplatz, auf dessen rostige Altmetalle die Regentropfen prasselten. Mit hochgestelltem Mantelkragen lief Stanley Chadwick über den Treidelpfad. Er wusste, dass sein Vorhaben falsch war, dass er all seinen Überzeugungen zuwiderhandelte, aber er hatte das Gefühl, keine andere Möglichkeit zu haben. Er konnte nicht einfach alles dem Zufall überlassen, denn der hatte seiner Erfahrung nach noch nie die richtige Seite unterstützt. Und er hatte recht, davon war er überzeugt. Es auch zu beweisen war eine andere Sache.
Yvonne war nun seit fast einer Woche verschwunden, untergetaucht. Janet hatte gesehen, dass einige ihrer Lieblingskleidungsstücke und ein alter Rucksack fehlten, in dem sie immer Limonade und Sandwiches mitgenommen hatten, wenn sie vom Wohnwagen im Prim rose Valley zu Wanderungen aufbrachen. Chadwick machte sich Sorgen um seine Tochter, war aber überzeugt, dass sie keinen unmittelbaren Schaden davongetragen hatte. Nicht dass die große Stadt ein sicherer Ort für ein verletzliches sechzehnjähriges Mädchen war, aber Chadwick wusste, dass seine Tochter nicht so töricht wie manch andere war. Er hoffte, dass sie bald zurückkehrte. Er konnte ihr Verschwinden nicht offiziell machen und die Polizei des ganzen Landes auf ihre Spur ansetzen, deshalb hatte er keine andere Wahl, als abzuwarten und zu hoffen, dass Yvonne Heimweh bekam. Es tat ihm in der Seele weh, aber er sah keine andere Möglichkeit. Fürs Erste hatten Janet und er neugierigen Freunden und Nachbarn gesagt, Yvonne sei bei ihrer Tante in London. Wahrscheinlich war sie eh nach London gegangen. Die meisten Ausreißer landeten dort, dachte Chadwick.
Unter dem Kirkstall Viaduct kam ihm, wie verabredet, eine Gestalt entgegen. Jack Skelgate war ein kleiner Hehler, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Frettchen hatte. Schon oft war er für Chadwick als Informant nützlich gewesen. Chadwick hatte sich an Skelgate gewandt, weil er so viel über ihn wusste, dass er ihn für zehn Jahre hinter Gitter bringen konnte, wenn er nur wollte. Und wenn es etwas gab, wovor Skelgate Angst hatte, so war es die Vorstellung, in den Knast zu wandern. Eigentlich wäre das ja Grund genug gewesen, sich nach einem ehrlicheren Beruf umzusehen, aber manchen Leuten gelang es einfach nicht, da eine Verbindung zu sehen. Sie kapierten es nicht. Deshalb waren die Gefängnisse immer überfüllt. Wie so viele Menschen, die Chadwick in den letzten zwei Wochen gesprochen und befragt hatte, war Skelgate dumm wie Bohnenstroh, aber das war nur zu Chadwicks Vorteil.
»Was für'n verdammter Scheißtag, was?«, sagte Skelgate zur Begrüßung. Er schniefte immer so, als sei er permanent erkältet.
»In Cross Gates wurde gestern Abend eingebrochen«, sagte Chadwick. »Der Dieb hat fünf Essbestecke gestohlen. Schöne Sachen. Silber. Ob davon wohl etwas bei Ihnen gelandet ist?«
»Silberbesteck, sagen Sie? Kann nicht behaupten, dass ich so was in letzter Zeit gesehen hätte.«
»Aber Sie würden es mir natürlich sofort sagen, nicht?«
»Aber natürlich, Mr. Chadwick.«
»Wir glauben, dass die Newton-Bande dahinterstecken könnte, und Sie wissen ja, wie gerne ich die hinter Schloss und Riegel bringen würde.«
Skelgate wand sich bei den Worten, obwohl sie sich auf jemand anders
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