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Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes

Titel: Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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wenn Chadwick nicht in Leeds war. Der Papierkram genauso wenig, wie er jetzt sah.
      Es war ein gutes Wochenende gewesen. Im Kricket hatte Yorkshire Derbyshire im Finale des Gillette Cups geschlagen, und auch wenn es Leeds United als Meister der letzten Saison nicht gelungen war, Manchester United zu Hause zu schlagen, so war die Partie zumindest mit einem 2:2 unentschieden ausgegangen, und Billy Bremner hatte getroffen.
      Der einzige Wermutstropfen war, dass Yvonne fast die ganze Sonntagnacht fort gewesen war, und das nicht zum ersten Mal. Chadwick hatte wach gelegen, bis er sie gegen halb sieben die Tür aufschließen hörte. Da war es schon Zeit für ihn, aufzustehen und sich für die Arbeit fertig zu machen. Yvonne war direkt in ihrem Zimmer verschwunden und hatte die Tür zugedrückt, weshalb er die unvermeidliche Auseinandersetzung auf später verschoben hatte. Jetzt nagte das an ihm. Er wusste nicht, was mit seiner Tochter los war, was sie im Schilde führte, und das machte ihm Angst. Er hatte den Eindruck, als wäre die jüngere Generation in den letzten Jahren immer sonderbarer geworden, immer weniger lenkbar. Chadwick war außerstande, eine Brücke zu diesen jungen Leuten zu schlagen. Die meisten gehörten für ihn inzwischen einer anderen Spezies an. Besonders seine eigene Tochter.
      Chadwick versuchte, seine Sorgen um Yvonne abzuschütteln, und schaute sich die Protokolle an: Ärger mit Hausbesetzern in einem Bürogebäude im Zentrum von Leeds, eine große Drogen-Razzia in Chapeltown, und in Bradford war eine Frau mit einem Stein in einem Strumpf angegriffen worden. In der Manningham Lane, las Chadwick. Es war allgemein bekannt, was für Frauen in der Manningham Lane verkehrten. Trotzdem, das arme Weib, so etwas hatte niemand verdient. Jenseits der Grafschaftsgrenze, im nördlichen Verwaltungsbezirk, war das Brimleigh Festival einigermaßen friedlich über die Bühne gegangen. Es hatte nur wenige Festnahmen gegeben - hauptsächlich wegen Trunkenheit und Drogenhandels, was zu erwarten gewesen war - und Ärger mit Skinheads an einer Absperrung.
      Gegen halb zehn griff Chadwick zur nächsten Akte und schlug sie gerade auf, als Karen den Kopf zur Tür hereinsteckte und ihm sagte, Detective Chief Superintendent McCullen wolle ihn sprechen. Chadwick legte die Akte zurück auf den Stapel. Wenn McCullen ihn sehen wollte, ging es um etwas Wichtiges. Auf jeden Fall wäre es deutlich interessanter als der Papierkram.
      Pfeiferauchend saß McCullen in seinem geräumigen Büro und genoss den herrlichen Ausblick. Brotherton Hause lag am westlichen Rand des Stadtzentrums, in unmittelbarer Nähe der Universität und der Gebäude vom Allgemeinen Krankenhaus Leeds. Man schaute gen Westen über die neue Inner Ringroad zum Park Lane College. In den vergangenen zwei, drei Jahren waren die alten, vom Ruß eines ganzen Jahrhunderts geschwärzten Bergwerke und Fabriken abgerissen worden. Es sah aus, als würde eine gänzlich neue Stadt auf den Ruinen ihrer viktorianischen Vergangenheit entstehen: das internationale Schwimmbad, das neue Theater, das Politechnikum Leeds, das Gebäude der Yorkshire Post. Am Horizont erhoben sich zahllose Kräne, und in der Luft lag das Dröhnen der Pressluftbohrer. Bildete Chadwick sich das nur ein, oder schossen in dieser Stadt die Baustellen tatsächlich wie Pilze aus dem Boden?
      Er wusste nicht, ob die Zukunft besser sein würde als die Vergangenheit. Genauso wenig konnte er beurteilen, ob die neue Weltordnung besser als die alte war. Eine monotone Sterilität kennzeichnete die neue Bauweise; es waren meist Hochhäuser aus Glas und Beton, aber auch backsteinrote Hausreihen des sozialen Wohnungsbaus. Ihre viktorianischen Vorgänger wie die Bean Ing Mills von Benjamin Gott mochten vielleicht verrußter und schäbiger ausgesehen haben, hatten aber immerhin Charakter besessen. Doch es konnte auch sein, dachte Chadwick, dass er lediglich ein alter Miesepeter in Bezug auf Architektur wurde, so wie er es hinsichtlich junger Leute längst war. Mit achtundvierzig war er eigentlich zu jung dafür. Er nahm sich vor, toleranter gegenüber Hippies und Architekten zu sein.
      »Stan, nehmen Sie doch Platz!«, sagte McCullen und wies auf den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch. McCullen war ein untersetzter, vierschrötiger Kerl, einer von der alten Schule: raspelkurzes graues Haar, scharf geschnittene, kantige Gesichtszüge und ein einschüchterndes Schimmern in den zusammengekniffenen

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