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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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bis morgen früh zu warten. Noch eine Nacht in dem Haus, wo ich mit Florence gelebt habe. Wollen Sie wenigstens das für mich tun, Herr Doktor?«
      Ich nickte wie betäubt, und er ging von dannen.
      Früh am nächsten Morgen, nach einer furchtbaren Nacht, in der ich mich im Kampf mit meinem Gewissen unablässig hin und her geworfen hatte, wurde ich zum Bürogebäude der Fabrik an der westlichen Seite der Weberei gerufen. Auf der Victoria Road fragte ich mich, um was es sich bloß handeln mochte. Bald wurde ich in ein großes, teuer eingerichtetes Büro mit einem dicken türkischen Teppich, dunkler Vertäfelung und mehreren Landschaftsbildern an den Wänden geleitet. Hinter einem gewaltigen Mahagonischreibtisch saß Sir Titus persönlich, trotz seines Alters und seiner nachlassenden Gesundheit noch immer eine große, imposante Gestalt.
      »Dr. Oulton«, sagte er, ohne von seinen Unterlagen aufzublicken. »Nehmen Sie bitte Platz.«
      Ich fragte mich, weshalb er die gut zwölf Meilen von seinem Landsitz Crows Nest hergefahren war. Zur damaligen Zeit tauchte er nur noch selten in der Fabrik auf.
      »Ich habe gehört«, sagte er mit seiner tiefen, gebieterischen Stimme, immer noch aufs Papier starrend, »dass Sie die näheren Umstände des Todes von Richard Ellerby untersucht haben?«
      Ich nickte. »Jawohl, Sir Titus.«
      »Und, was haben Sie bitte herausgefunden?«
      Ich holte tief Luft, dann berichtete ich ihm alles. Während ich sprach, stand er auf, faltete die Hände hinter dem Rücken und schritt gesenkten Kopfes durch den Raum. So reichte ihm sein grauer Bart fast bis an den Hosenbund. Obwohl seine Wangen und Augen eingefallen waren, als sei er krank, beherrschte er mit seiner Gegenwart das Zimmer. Als ich endete, setzte er sich wieder und bedachte mich mit einem langen Schweigen. Dann sagte er: »Und was werden wir deswegen unternehmen?«
      »Die Polizei wird benachrichtigt werden müssen.«
      »Bisher sind also Sie und ich die Einzigen, die die ganze Wahrheit kennen?«
      »Und Jack selbst.«
      »Ja, natürlich.« Sir Titus strich sich über den Bart. Ich hörte die gedämpften Geräusche aus der Weberei und spürte, wie die Vibrationen der kraftbetriebenen Webstühle den Raum erschütterten. Es war ein warmer Tag, und trotz des offenen Fensters war es stickig im Zimmer. Ich merkte, wie sich Schweiß auf meiner Stirn und meiner Oberlippe sammelte. Ich blickte aus dem Fenster und sah das Wehr, wo Richard Ellerby zu Tode gekommen war. »Das ist nicht gut«, sagte Sir Titus schließlich. »Ganz und gar nicht.«
      »Wie bitte?«
      Er machte eine Geste, die ganz Saltaire einschloss.
      »Was ich meine, Dr. Oulton, ist, dass das sehr schlecht für den Ort sein könnte. Sehr schlimm. Glauben Sie an das Experiment?«
      »Welches Experiment, Sir?«
      »An das moralische Experiment Saltaire.«
      »Ich habe nie Zweifel gehegt, dass es Ihr Motiv ist, Gutes zu tun, Sir.«
      Sir Titus rang sich ein knappes Lächeln ab. »Eine sehr erhellende Antwort.« Wieder folgte langes Schweigen. Sir Titus stand auf und lief erneut auf und ab. »Wenn ein Mann eine Kneipe besucht und so betrunken herauskommt, dass er in den Fluss fällt und ertrinkt, dann ist das ein Exempel für uns alle, meinen Sie nicht?«
      »Doch, Sir.«
      »Und wenn ein Mann nach dem Besuch einer Kneipe von einer Bande Raufbolde verfolgt und angegriffen wird, die ihn beraubt und in den Fluss wirft, worauf er ertrinkt, haben wir auch ein Exempel, nein, eine Geschichte mit einer Moral, nicht wahr?«
      »Allerdings, Sir. Aber Richard Ellerby wurde nicht ausgeraubt.«
      Ungeduldig winkte er ab. »Nein, natürlich nicht. Das weiß ich. Ich denke nur laut. Bitte vergeben Sie einem alten Mann diese Schwäche. Dieser Ort, Saltaire, bedeutet mir alles, Dr. Oulton. Verstehen Sie das? Er bedeutet mir alles.«
      »Ich glaube schon, Sir.«
      »Das ist nicht nur eine Frage von Profitmaximie-rung, obwohl ich nicht leugnen kann, dass diese Fabrik durchaus profitabel ist. Aber ich glaube, ich habe etwas Einzigartiges geschaffen. Ich nenne es >mein Experiment<, doch für andere ist es eine Heimat, eine Lebensart. Das hoffe ich jedenfalls. Ich wollte, dass Saltaire all das hat, was Bradford fehlt. Saltaire wurde angelegt, um Selbsthilfe, Anstand, ordentliches Verhalten und Gesundheit der Arbeiter zu fördern. Ich wollte beweisen, dass Geldverdienen nicht unvereinbar ist mit dem materiellen und geistigen Wohl der

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