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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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hinter vorgehaltener Hand wurde Kritik geäußert, aber schließlich war die Angelegenheit vergessen, und die Bewohner stürzten sich wieder in ihre Arbeit: Sie webten feine Stoffe aus Alpaka und Mohair für die, die reich genug waren, sie sich leisten zu können.
      Doch sosehr ich mich auch zu überzeugen versuchte, die Geschichte hinter mir zu lassen und weiterzumachen, mir war immer bewusst, dass in dieser Gemeinschaft etwas fehlte. An dem Tag, als Jack sich umbrachte, war mehr gestorben als ein einzelner Mensch.
      Nachdem ich einem Wollsortierer in seiner schwersten Stunde beigestanden hatte, der schließlich an Milzbrand starb, traf ich meine Entscheidung. Einen Monat später - ich hatte meine Angelegenheiten geregelt und meinen Nachfolger eingearbeitet - verließ ich Saltaire und ging nach Südafrika, wo ich schließlich die Frau kennenlernte, die ich heiraten sollte. Wir zogen unsere drei Kinder groß. Dreißig Jahre lang übte ich meinen Beruf in Kapstadt aus. Als ich in den Ruhestand ging, beschlossen wir, zurück nach England zu ziehen, wo wir uns in einem hübschen kleinen Fischerdorf in Cornwall niederließen. Jetzt sind meine Kinder erwachsen, verheiratet und fortgezogen, meine Frau ist gestorben, und ich bin ein alter Mann, der seine Tage damit verbringt, auf den Felsen über dem Meer zu wandern und den Flug der Vögel zu beobachten.
      Und manchmal erinnert mich das Geräusch der Wellen an das Brüllen des Wehrs von Saltaire.
      Inzwischen sind mehr als vierzigJahre seit jener Nacht am Wehr vergangen, als Jack Liversedge mir gestand, Richard Ellerby getötet zu haben, mehr als vierzigJahre sind vergangen, seit Sir Titus und ich bei den Schrebergärten standen und Jacks Körper durch die Luft auf den Vorhof der Weberei fallen sahen.
      VierzigJahre. Eine lange Zeit für ein Geheimnis.
      Außerdem hat sich die Welt seitdem so sehr verändert, dass die Geschehnisse jenes fernen Tages in Saltaire heute nur noch wenig Bedeutung haben. Sir Titus starb drei Jahre nach Jacks Tod, und mit ihm starb sein Traum. Die Mode änderte sich, die Damen verlangten nicht mehr nach den strahlenden bunten Stoffen, die Sir Titus produziert hatte. Sein Sohn, Titus junior, hielt sich mit dem Geschäft über Wasser, bis er 1887 ebenfalls starb. Die Weberei wurde von einem Konsortium Bradforder Geschäftsleute übernommen. Heute ist Saltaire kein gesellschaftliches Experiment mehr, nicht mehr die Utopie einer Weberstadt, sondern nur noch ein Unternehmen.
      Heute, im Juli 1916, glaubt niemand mehr an Utopien.
     
     

* Anna
    Eine Inspector-Banks-Geschichte
     
    * 1
     
    »Das gefällt mir ganz und gar nicht, mein Junge«, sagte Dr. Glendenning und schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht.«
      »Hat mir der Superintendent bereits erzählt«, entgegnete Banks. »Um was geht's denn?«
      Sie saßen an einem Tisch mit gehämmerter Kupferplatte im Queen's Arms. Glendenning hatte ein Glas Glenmorangie vor sich, Banks ein Pint Theakston's. Es war Februar, ein bitterkalter Abend. Banks wollte schnell nach Hause, er hatte Sandra versprochen, mit ihr essen zu gehen, aber Dr. Glendenning hatte ihn um Hilfe gebeten, und der Pathologe des Innenministeriums war zu wichtig, als dass Banks ihn hätte abwimmeln können.
      »Möchten Sie?« Glendenning bot Banks eine Senior Service an.
      Banks verzog das Gesicht. »Nein, danke. Ich bleibe bei Filter. Will sowieso aufhören.«
      »Ja«, sagte Glendenning und zündete seine Zigarette an. »Ich auch.«
      »Also, was ist los?«
      »Sie hätte nicht sterben dürfen«, sagte der Arzt, »aber das nur am Rande. So was passiert halt.«
      »Wer hätte nicht sterben dürfen?«
      »Ach, Entschuldigung. Hab vergessen, dass Sie's ja noch gar nicht wissen. Anna, Anna Childers heißt die Frau. Sie wurde heute Morgen gebracht.«
      »Gibt es Grund zu der Annahme, dass es ein Verbrechen war?«
      »Nein, nicht auf den ersten Blick. Deshalb wollte ich erst mal einfach nur so drüber sprechen.« Regen prasselte gegen das Fenster. Der Geräuschpegel in der Kneipe stieg und fiel regelmäßig.
      »Was ist denn passiert?«, fragte Banks.
      »Ihr Freund hat die Frau heute Morgen gegen zehn ins Krankenhaus gebracht. Er sagte, sie hätte sich die ganze Nacht übergeben. Sie hätten erst gedacht, es sei eine Magen-Darm-Grippe. Dr. Gibson behandelte die Symptome nach bestem Wissen und Gewissen, aber leider ...« Glendenning zuckte mit den

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