Inspector Banks kehrt heim
Angeblich haben Sie sich mit ihm gestritten.«
»Kann schon sein.«
»Worum ging es, Jack? Haben Sie mit ihm gekämpft?«
Jack blieb stehen und sah mich an. Kurz dachte ich, er würde mich angreifen. Ich machte mich darauf gefasst, aber es geschah nichts. Hinter ihm erhob sich drohend die Fabrik. Im Mondlicht sah ich, wie verschiedene Gefühle über sein Gesicht hinweghuschten, Angst und Kummer, schließlich Resignation. Irgendwie schien er erleichtert, dass ich ihn auf Richard angesprochen hatte.
»Er hat doch die Wolle eingekauft, oder?«, sagte er, die Stimme voller Zorn. »Er hätte es wissen müssen.«
Ich seufzte. »Ach, Jack! Niemand konnte das wissen. Er hat die Wolle doch nur gekauft. Es gibt keine Untersuchungen. Man kann es gar nicht wissen.«
»Das stimmt nicht. Er hat die Wolle gekauft, die meine Frau umgebracht hat. Irgendjemand musste für ihren Tod büßen.«
Er wandte sich ab und ging weiter. Ich folgte ihm. Wir gelangten ans Ende der Victoria Road, ich hörte das Wehr zu unserer Rechten rauschen. Jack lief zur gusseisernen Brücke und schaute in das brausende Wasser. Ich stellte mich neben ihn. »Und wessen Aufgabe ist es, zu entscheiden, wer büßen muss, Jack?«, fragte ich mit erhobener Stimme, um das Wasser zu übertönen. »Wessen Aufgabe ist es, Gott zu spielen, was meinen Sie? Ihre?«
Voller Mitleid und Verachtung sah er mich an, dann schüttelte er den Kopf. »Sie verstehen gar nichts.«
Ich blickte hinunter ins Wasser, in dessen Schaum sich das Mondlicht fing. »Haben Sie ihn getötet?«, fragte ich. »Haben Sie Richard Ellerby getötet, weil Sie ihm die Schuld am Tod Ihrer Frau Florence gaben?«
Eine Weile schwieg Jack, dann nickte er kurz. »Da stand er«, sagte Jack, »in seinem besten Mantel, trank und lachte, und meine Florence liegt unter der Erde.«
»Wie passierte es?«
»Ich habe ihm gesagt, er wäre nicht besser als ein Mörder, wenn er Wolle kauft, durch die Menschen sterben. Ich meine, es war ja nicht das erste Mal, oder? Er meinte, es wäre nicht seine Schuld, niemand hätte es wissen können. Als ich ihm sagte, er müsste besser aufpassen, erwiderte er, ich hätte keine Ahnung, das sei nun mal die Gefahr in diesem Beruf und Florence hätte das Risiko kennen müssen, als sie die Stelle annahm.«
Wenn Richard sich Jack gegenüber tatsächlich so geäußert haben sollte, war er sicherlich der Sünde schuldig, ihn völlig gefühllos behandelt zu haben. So ein Verhalten hätte ich bei ihm nicht für möglich gehalten. Selbst wenn es zutraf - wir konnten alle im falschen Moment etwas Unpassendes sagen, besonders wenn wir so in die Enge getrieben wurden, wie Jack es mit Richard gemacht hatte. Was Richard getan hatte, rechtfertigte jedoch auf keinen Fall den Mord an ihm.
»Wie ist es passiert, Jack?«, fragte ich erneut.
Nach kurzem Schweigen sagte er: »Ich habe am Treidelpfad auf ihn gewartet. Auf dem ganzen Heimweg haben wir gestritten, irgendwann habe ich die Nerven verloren. Im Gebüsch lag eine Holzlatte von einer Kiste oder so. Er ging einfach weiter. Ich hab die Latte genommen, ihm von hinten auf den Kopf geschlagen, er ist hingefallen.«
»Aber was war mit dem Wehr?«
»Mir wurde plötzlich klar, was ich getan hatte.« Jack stieß ein raues Lachen aus. »Schon komisch, wissen Sie, gerade wo es jetzt egal ist. Aber als ich es gerade getan hatte, als ich wusste, dass ich jemanden getötet hatte, da bekam ich Panik. Ich dachte, wenn ich ihn über das Wehr werfe, dann würde man denken, er wäre reingefallen. War ja nicht weit, und er war nicht schwer.«
»Aber er war nicht tot, Jack«, entgegnete ich. »Er hatte Wasser in der Lunge. Das heißt, er lebte noch, als er ins Wasser fiel.«
»Ist egal«, sagte Jack. »So oder so habe ich ihn umgebracht.«
Das Wasser rauschte in meinen Ohren. Jack sah mich an. Ich erschrak und machte einen Schritt zurück, streckte den Arm aus, um Jack von mir fernzuhalten.
Langsam schüttelte er den Kopf, Tränen in den Augen, dann sprach er so leise, dass ich mich anstrengen musste, um ihn zu verstehen. »Nee, Herr Doktor, Sie haben von mir nichts zu befürchten. Ich, ich habe was von Ihnen zu befürchten.«
Jetzt schüttelte ich den Kopf. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, mein Herz schlug noch immer wie wild, ich hatte Angst, dass er mich ebenfalls über die Brüstung werfen würde.
»Also«, begann er, »ich möchte Sie nur bitten,
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