Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
jetzt, am frühen Morgen?«
»Ich mache auf.« Barbara schlenderte hinaus und kam in Chief Inspector Barnabys Begleitung zurück.
»Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?« fragte der Doktor aufgebracht.
»Miss Lessiter?«
»Ja?« Judy stand unbeholfen auf wie ein Schulmädchen.
»Was ist?«
»Ich hätte nur ein paar Fragen an Sie den gestrigen Nachmittag betreffend, wenn Sie gestatten. Wo Sie waren, was ...«
»Es war bereits gestern jemand hier, der nach alldem gefragt hat«, schnaubte Lessiter.
»Ist schon gut«, sagte Judy. »Es macht mir nichts aus, alles noch einmal zu erzählen. Ich war den ganzen Nachmittag hier. Ich hatte frei. Und mein Freund Michael... Michael Lacey war auch hier. Er hat ein paar Skizzen für das Bild gemacht, das er von mir malen will.«
»Können Sie mir sagen, wann die Verabredung getroffen wurde?«
»Ich rief ihn an ...« Barbara Lessiter verdeckte unzulänglich ihr Lächeln mit der Hand. »Und er sagte sofort: >Gerade wollte ich mich bei dir melden.<« Sie warf den beiden Menschen am Eßtisch einen trotzigen Blick zu, der ihre Verletzlichkeit noch offener zutage treten ließ. »Warum ist das so wichtig?«
»Jemand hat ausgesagt, daß Mr. Lacey dabei beobachtet wurde, wie er um vier Uhr nachmittags Mrs. Rainbirds Haus betrat.«
»Nein!« rief Judy erschrocken. »Das ist nicht wahr. Es kann nicht sein. Er war hier mit mir zusammen. Wieso lassen ihn die Leute nicht in Ruhe? Immerzu versuchen sie, ihm Schwierigkeiten zu machen.«
Diesmal machte sich Barbara nicht mehr die Mühe, ihr spöttisches Grinsen zu verbergen. Judy wirbelte herum und deutete auf ihre Stiefmutter. »Sie sollten sich lieber mal mit der da unterhalten. Warum stellen Sie ihr nicht ein paar Fragen?«
»Mir?« Belustigt und erstaunt.
»Fragen Sie sie, wo ihr Pelzmantel ist. Und wozu sie fünftausend Pfund braucht. Fragen Sie sie, weswegen sie erpreßt wird.«
Barbara sprang mit einem wütenden Schrei auf und schüttete Judy ihren Kaffee ins Gesicht. Judy kreischte: »Mein Kleid! Mein neues Kleid!« Doktor Lessiter packte seine Frau und hielt ihre Arme fest. Judy stürzte aus dem Zimmer, und ihr Vater schleuderte Barbara von sich und lief ihr nach. Mrs. Lessiter sank auf den nächsten Stuhl. Eine Weile sagte niemand etwas.
»Also, Mrs. Lessiter?« meldete sich Barnaby schließlich zu Wort. »Weshalb werden Sie erpreßt?«
»Das ist kompletter Unsinn. Ich weiß gar nicht, wie diese dumme Kuh auf so eine absurde Idee kommt.«
»Vielleicht sollte ich Ihnen sagen, daß wir eine Menge Unterlagen aus Mrs. Rainbirds Haus sichergestellt haben -Briefkopien und andere Dokumente.« Diesmal dehnte sich das Schweigen noch länger aus. »Wäre es Ihnen lieber, wenn ich Sie mit aufs Revier nehme?«
»Lieber Himmel, nein! Warten Sie ...« Sie ging zur Kommode, nahm sich mit zitternden Händen eine Zigarette und zündete sie an. »Vor etwa einer Woche bekam ich einen Brief von ihr.«
»Einen mit ihrem Namen unterschriebenen Brief?«
»Ja. >Ihre Freundin Iris Rainbird.< Auf ihrem scheußlichen lila Briefpapier, das nach verwelkten Blumen stinkt. Sie schrieb nur, daß sie wüßte, was vor sich ginge, und wenn ich nicht wolle, daß mein Mann all die schlüpfrigen Details erfährt, müßte ich fünftausend Pfund bezahlen. Sie gab mir eine Woche Zeit, das Geld aufzutreiben, und wollte dann wieder mit mir in Kontakt treten.«
»Und warum das alles?«
»Ich habe eine Affäre mit David Whiteley.«
»Ich verstehe.« Barnabys Gedanken arbeiteten fieberhaft. Sie könnte die Frau im Wald gewesen sein (kein bestätigtes Alibi) und David Whiteley der Mann (ebenfalls kein Alibi). In dem Zeitraum, in dem Miss Simpson umgebracht worden war, hatte sie eine Spazierfahrt gemacht. Und sie hätte sich, gerade noch, durch das Fenster in der Speisekammer zwängen können. Er zögerte und überlegte, wie er die nächste, besonders delikate Frage in Worte kleiden sollte, aber sie nahm ihm die Mühe ab, indem sie erklärte: »Wir haben seinen Wagen benützt. Er hat Liegesitze. Er sagte mir, wo er arbeitete. Ich fuhr hin, versteckte mein Auto hinter einer Hecke oder unter Bäumen, und wir kletterten für eine halbe Stunde in seinen Citroën.«
Eins zu null für Sergeant Troy, dachte Barnaby. »Und Sie denken, daß Iris oder Dennis Rainbird Sie bei einer solchen Gelegenheit gesehen hat?«
»O nein.« Sie schüttelte den Kopf.
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