Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Erinnerung an das Bild das Blut ins Gesicht geschossen war, erwiderte: »Es war ein Porträt von seiner Schwester, das wenig Zweifel an der Art ihrer Beziehung ließ.« Kein Wunder, dachte er, daß das schmale Bett immer unberührt ausgesehen hat. Wahrscheinlich hatte sie seit Mrs. Sharpes Auszug kein einziges Mal mehr dort geschlafen. Und jetzt wußte er auch, warum Katherine nicht in das viel größere, freigewordene Zimmer umgezogen war.
»Sie waren ganz schön gerissen... und dann dieses schreckliche Ende.«
»Ja. Eigenartigerweise sagte mein Sergeant schon sehr früh etwas, was ein Fingerzeig hätte sein können, wenn ich nur so viel Verstand gehabt hätte, ihn zu erkennen. Ihm war aufgefallen, daß Mrs. Lessiter sehr unfreundlich über Lacey sprach, und er meinte, es wäre nicht das erste Mal, daß eine verheiratete Frau in der Öffentlichkeit so tut, als könne sie ihren Liebhaber nicht leiden, um die Leute zu täuschen.«
»Die Laceys waren jedenfalls sehr überzeugend.«
»Mmm. Da war eine Episode, die mir großes Kopfzerbrechen gemacht hat. Troy und ich ...«
»Ich mag den Mann immer noch nicht.«
Barnaby lächelte zurückhaltend und fuhr fort: »Wir gingen zu Fuß zum Holly Cottage und hörten, daß sich die Laceys anschrien und schrecklich stritten. Später, als ich ziemlich sicher sein konnte, daß sie die Täter waren, wußte ich beim besten Willen nicht, wie ich diese Szene einordnen sollte. Warum spielten sie das Theater, das nur für die Öffentlichkeit bestimmt war, weiter, wenn sie allein waren? Das machte keinen Sinn. Ich fürchte, die Tatsache, daß ich die Auseinandersetzung mitangehört hatte, hat die Lösung des Falls sogar behindert. Aber als wir von Saint Leonards zurückfuhren, fiel mir auf, daß mein Sergeant ständig in den Rückspiegel schaute, und da wurde mir klar, daß der Streit meinetwegen inszeniert worden war. Wir waren zwar hinter der hohen Hecke verborgen, aber sie konnten im Spiegel, der an der Ausfahrt angebracht ist, sehen, daß wir auf das Haus zugingen.«
Lange sagte niemand etwas, dann meinte Miss Bellringer: »Das war’s dann also? Das letzte Teilchen fiel an seinen Platz.«
Barnaby trank sein Glas aus und aß den letzten Bissen Kuchen. Erst vor zwei Wochen war seine Gesprächspartnerin in seinem Büro gesessen, hatte in ihrer riesigen Tasche gekramt und ihn mit blitzenden Augen angesehen, aber ihm kam es vor, als wäre dies vor langer Zeit geschehen. Was hatte sie gerade gesagt? Das letzte Teilchen? Ja, so mußte es sein. Das vage Gefühl, daß es noch ein loses Ende gab, mußte er wohl seinem angeborenen Zweifel an einer ordentlichen Welt zuschreiben.
Es gab nichts mehr zu sagen. Er stand auf. Lucy Bellringer tat es ihm gleich und streckte ihm die Hand entgegen. »Leben Sie wohl, Chief Inspector. Es war sehr anregend, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wie ich mich jemals wieder in der langweiligen Alltagsroutine zurechtfinden soll, weiß ich wirklich nicht.«
Barnaby drückte ihr die Hand und erwiderte aufrichtig: »Ich kann mir nicht vorstellen, daß in Ihrer Gegenwart irgend etwas langweilig sein kann.«
Als er zum Rastplatz ging, auf dem er seinen Wagen abgestellt hatte, kam er am Friedhof vorbei. Er zögerte einen Moment, dann ging er hinein. Er umrundete das Gebäude, passierte das Tor in der Buchsbaumhecke und steuerte den Teil mit den frischen Gräbern an.
Auf einem häuften sich noch Kränze und bunte Blumenbouquets, das andere war abgeräumt. Nur eine Vase mit roten, intensiv duftenden Rosen stand unter dem schlichten Kreuz.
EMILY SIMPSON eine liebe Freundin 1906-1987
Barnaby stand eine Weile im Schatten einer Eibe und hörte dem Krächzen der Krähe zu, dann drehte er sich um und eilte davon.
Sie hatten das Abendessen fast beendet. Cully hatte verschiedene Delikatessen mitgebracht. Hühnchen in Weinsauce. Broccoli. Junge Kartoffeln. Wasserkresse. Köstlichen Zitronenkuchen. Und jetzt stand eine Schachtel mit kleinen Florentinern auf dem Tisch, die sie zum Kaffee aßen. Barnabys Magen, hin- und hergerissen zwischen Ungläubigkeit und Erregung, brummte leise. Cully verteilte den Rest einer Flasche Cotes de Gascogne und erhob ihr Glas.
»Auf euch, Leute.«
»Ich trinke auf Beatrice«, erwiderte Barnaby. Seine Tochter probte gerade das Stück Viel Lärm um Nichts und war glücklich, auch in den großen Ferien in Cambridge bleiben zu können, wenn sie dafür an eine große
Weitere Kostenlose Bücher