Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
balancierend. Esslyn ging gerade auf Ian McKellen los.
»Also, gegen jedes bessere Wissen habe ich mir erlaubt, mich allein durch diese Plackerei zu schleppen. Von Anfang bis Ende nichts als Angeberei.«
»Aber«, erwiderte Nicholas mit unschuldig geweiteten grauen Augen, »ich dachte, das ist es gerade, worum es beim Schauspielen geht.«
Die Everards versprühten ihren giftigen Speichel gegen den zweiten Hauptdarsteller der Truppe und schrien: »Aber ich weiß genau, was Esslyn meint!«
»Ich auch. McKellen hat mich immer eiskalt gelassen.«
Dierdre warf ihre Frage nach dem Zucker ein.
»Himmel, das solltest du aber inzwischen wirklich wissen, Püppchen«, sagte Rosa Crawley. »Nur ein morceau für mich.« Sie brachte die Worte mit einer heiseren Stimme hervor. Rosa spielte Frau Salieri und hatte vorher noch nie eine derart bescheidene Rolle gehabt, aber in Amadeus war es die einzige Rolle für eine reifere Frau. Wäre sie doch augenscheinlich nie auf die Idee gekommen, eine Bedienstete oder eine ältere Bürgerin zu spielen. »Du hast uns doch bei so vielen Proben versorgt«, fuhr sie fort, »ich weiß gar nicht, wie du das immer geschafft hast.« Von allen Seiten brach halbherziges Lob über Dierdre herein, und Rosa unterdrückte einen kleinen Seufzer. Sie wußte, daß Großzügigkeit gegenüber weniger bekannten Schauspielern und dem Bühnenpersonal jeden großen Star auszeichnete. Sie wünschte bloß, Dierdre wäre empfänglicher dafür gewesen. Mit einem strahlenden Lächeln nahm Rosa ihren angeschlagenen Kaffeebecher entgegen. »Vielen Dank, mein Schatz.«
Dierdre öffnete als Reaktion darauf ein wenig die Lippen. Im stillen dachte sie sich: Also wirklich, bei einer Taille wie ein Wal ist selbst ein morceau zuviel. Als wollte Rosa Dierdre noch mehr verärgern, trug sie zu allem Überfluß den langen Pelzmantel, den Dierdre bei Oxfam für Der Kirschgarten gekauft hatte. Nach der Party zur letzten Aufführung hatte er das Fest verlassen und die Garderobe ihn nie wieder in die Finger bekommen.
»O mein Gott!« Harold starrte in seinen Becher, einen blauglasierten, auf dem mit rotem Nagellack H. W. (DIR) geschrieben stand. »Nicht schon wieder diese ekelhaften Frettchenköttel. Kann denn keiner mal echte Milch mitbringen? Bitte? Oder ist das vielleicht zuviel verlangt?«
Dierdre verteilte die restlichen Becher, reichte den Zucker herum und vermied es dabei, Harold in die Augen zu sehen. Wenn echte Milch gefragt war, dann sollte sie doch jemand besorgen, der ein Auto hatte. Sie hatte schon mehr als genug Zeug zu schleppen.
»Mir ist bei dem Gedanken an ein Rasiermesser überhaupt nicht wohl«, gestand Mozarts Constanze und kam damit auf den Ausgangspunkt zurück. »Ich möchte ohne Vater kein Kind kriegen.« Sie lächelte dämlich in ihren Kaffeebecher und verzog das Gesicht, ehe sie sich an die Knie ihres Ehemannes lehnte. Esslyn lächelte und sah sich in der Runde um, als wollte er sich für die Dummheit seiner Frau entschuldigen. Dann fuhr er ihr mit dem Nagel seines Zeigefingers über den Hals und murmelte: »Eine biologische Unmöglichkeit, nicht wahr?«
»Bei dem vielen Blut dürfte es noch ein Problem geben«, warf Joyce Barnaby ein, die Kostümbildnerin und Fundusbewahrerin, Hüterin der kaiserlichen Kuchen und Hintergrundsängerin, »nämlich Esslyns Hemd bis zum nächsten Abend zu waschen und zu bügeln. Ich hoffe, wir werden mehrere Hemden haben.«
»Molto costoso, mein Liebling«, rief Harold. »Ihr scheint alle zu glauben, ich sei aus Geld gemacht. Die Leihgebühren für die Kostüme der Hauptdarsteller kosten ohnehin schon ein Vermögen. Schön und gut, Peter Shaffer kann es sich leisten, zehn Dienstboten in Kostümen des achtzehnten Jahrhunderts zu fordern...«
Joyce saß vollkommen ruhig auf ihrem Stuhl, nahm Katharina Cavalieris mit Tressen besetztes Kleid zur Hand und fuhr damit fort, den Saum umzunähen. Schließlich drehte Harold bei jeder Produktion wenigstens einmal während der Proben durch, weil er glaubte, sie würden zuviel ausgeben, aber dann, wenn irgend etwas wirklich dringend gebraucht wurde, war das Geld doch da. Joyce hatte sich schon mehr als einmal gefragt, ob das Geld aus seiner eigenen Tasche stammte. Er schien kein reicher Mann zu sein (er besaß nur ein bescheidenes Import-Export-Unternehmen), aber er gab sich vollends dem Theater hin, hatte sich ihm von ganzem Herzen und mit Körper, Geist und Seele verschrieben,
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