Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Also gut... an die Arbeit. Phoebe, du gehst besser wieder an das Skript.«
Alle verteilten sich daraufhin über die Kulisse und die Garderoben, außer Esslyn, der immer noch gedankenverloren die Klinge musterte. Harold trat an seine Seite. »Pas de problème«, meinte er. »Du mußt dich nur daran gewöhnen, das ist alles. Sieh mal, ich zeige es dir.«
Er nahm das wunderschöne Objekt und schob die Klinge zurück in den Schaft. Plötzlich klappte das Rasiermesser mit einem scharfen Klick zusammen. Harold gab einen kurzen warnenden Zischlaut von sich und Esslyn einen längeren besorgten Laut.
»Sieht nicht so aus, als könnte ich das wesentlich besser als du«, rief Harold und bedachte Esslyn mit einem verkrampften Lächeln. Dann legte er das Messer hin und nahm väterlich den Arm des anderen Mannes.
»Was ist, hast du jemals erlebt, daß ich nicht in der Lage gewesen wäre, ein verzwicktes Produktionsproblem zu lösen? Hm? In all unseren gemeinsamen Jahren?«
Esslyn antwortete mit einem besorgten Blick, der voller Zweifel war. »Glaub mir«, sagte Harold und dehnte jedes seiner Worte, die er alle in gleicher Weise betonte, um die ganze Kraft seiner Überzeugung hineinzulegen. »Du bist in sicheren Händen. Es gibt nichts, wovor du dich fürchten müßtest.«
Er brachte das mit uneingeschränkter Aufrichtigkeit hervor, aber sein Vertrauen war tragischerweise unangebracht. Die Rädchen griffen nämlich bereits ineinander. Und Pläne waren schon geschmiedet, von denen er zu diesem Zeitpunkt absolut keine Ahnung hatte.
* Dramatis Personae
Nicholas lag auf dem Boden seines Zimmers über der Black-bird-Buchhandlung und praktizierte seine Cicely-Berry-Stimmübungen. Das tat er ausnahmslos jeden Morgen und jeden Abend, ganz gleich, wie spät er aufgestanden oder ins Bett gegangen war. Jetzt war er bei den Lippen- und Zungenübungen angelangt, und Ratatat-Töne füllten den Raum. Glücklicherweise hatten seine Nachbarn (Brown, der Begräbnisredner, auf der einen Seite und auf der anderen ein Metzger) es längst aufgegeben, sich über den Lärm zu beklagen.
Nicholas war neunzehn Jahre alt und in einem Dorf zwischen Causton und Slough aufgewachsen. In der Schule hatte man ihn als knapp über dem Durchschnitt eingestuft. Ganz gut im Sport, mäßig im Unterricht und, da er mit einem freundlichen Wesen gesegnet war, auch einigermaßen talentiert darin, sich Freunde zu machen. Als er in der Abschlußklasse anfing, sich vage Gedanken über seine Zukunft in einer Bank oder im Industriemanagement zu machen, geschah etwas, was sein Leben für immer veränderte.
Einer der Texte, die er für seine Abiturprüfung in Englisch lesen mußte, war der Sommernachtstraum. Eine Vorstellung des Stücks, gespielt von der Royal Shakespeare Company, sollte auf dem Gelände der Gesamtschule, die Nicholas besuchte, gegeben werden. Innerhalb von zwei Tagen nach der Bekanntgabe des Termins war die Vorstellung ausverkauft. Einige aus der Abschlußklasse gingen hin, Nicholas allerdings eher aus Neugier als wegen irgend etwas sonst. Er war vorher noch nie im Theater gewesen, und über die Schauspielerei wußte er genausoviel wie über Landwirtschaft, Kohleabbau oder Tiefseefischerei. Es war ihm auch nie bewußt gewesen, daß das ein Handwerk war, das man lernen, kultivieren und ausüben konnte.
Als er am Aufführungsort ankam, schienen sich die Leute zu Hunderten durch die Schule zu schieben, und die Turnhalle war wie verwandelt. Da standen Podeste und Treppen, es gab Tapeziertische, grünen Kunstrasen und sogar einen Metallbaum mit goldenen Äpfeln. Über den Boden verteilt lagen riesige Kissen, die aus Teppichstücken zusammengesetzt worden waren. Fünf Musiker saßen auf einem Sprungpferd. Über ihnen befand sich ein kompliziertes Metallgitter mit Dutzenden von Strahlern. Dann bemerkte Nicholas am anderen Ende der Halle auf einem Podium einen stämmigen Mann in Abendgarderobe mit einem breiten roten Band quer über der Brust, das ein juwelenbesetzter Stern und Orden schmückten. Er unterhielt sich mit einer Dame in einem dunkelgrünen Turnürenkleid, die Diamantohrringe und eine kleine Krone trug. Plötzlich streckte der Mann seinen Arm aus, sie legte ihre behandschuhte Hand auf seinen Unterarm, und gemeinsam schritten beide die Plattform hinab. Die Lichter strahlten weiß und hart, und das Stück begann.
Im selben Moment war Nicholas gebannt. Der Schwung, der Einsatz und die intensive Nähe
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