Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Nicholas schon da war und seinen »Opernmonolog« durchging, schlüpfte sie leise in die hinterste Reihe und hörte ihm zu. Es war ein kompliziertes Stück, und Nicholas verpatzte es. Er begann mit Verärgerung, brach in der Mitte in ein Kichern von beinahe verrückter Über-drehtheit aus und endete mit einer Bemerkung, die so freudig erregt war, daß sie fast manisch wirkte.
Er hatte es in der vergangenen Woche jeden Abend zu Hause geübt und war sich auf qualvolle Weise bewußt, daß es nicht klappte. Nun pumpte er Begeisterung in seine Stimme: »Erstaunlicher Kunstgriff. Ein Vokalquartett!« Gefolgt von einer getriebenen Erregung: »Immer weiter, weiter und weiter - alle Klänge vervielfachen sich und erheben sich gemeinsam ...« Er rasselte es weiter durch und endete mit einem leeren rhetorischen Ausruf: »Und verwandelt das Publikum in Gott!«
Verzweiflung erfüllte ihn. Nichts als Schwulst. Aber was sollte er machen? Wenn das Gefühl nicht da war, konnte er es nicht einfach anstellen wie ein Tonband. Ein schrecklicher Gedanke, der stets in seinem Hinterkopf lauerte, kroch in sein Bewußtsein. Was war, wenn es sich bei der Premiere auch so trocken und steif anhörte? Ohne Technik würde er sich nur verzweifelt durch den Text hangeln, wie ein Bergsteiger mit schlechtem Gleichgewichtssinn über einen Felsabgrund. Er beneidete Esslyn um die vielen Jahre an Erfahrung, um sein Wissen über die Mechanik der Schauspielerei. Es war typisch für Avery, die Vorstellungen ihres Hauptdarstellers folgendermaßen zu beschreiben: »Ganz wie ein Osterei, Liebling. Nur Bänder und Bögen und kleine Zuckerhäppchen mit einem ziemlich großen Schuß Eitelkeit in der Mitte.« Nicholas war bei dem Gedanken daran, daß er, wenn ihn seine Gefühle verließen, weder Bänder noch Bögen, geschweige denn kleine Zuckerverzierungen aufzuweisen hätte, nicht besonders wohl zumute. Dierdre kam den Gang hinunter.
»Hallo«, begrüßte Nicholas sie verdrießlich. »Hast du alles gehört?«
»Hm«, entgegnete Dierdre, stellte ihren Korb auf die Bühnenkante und kletterte hinauf.
»Ich kriege das anscheinend niemals hin.«
»Ach was. Aber vielleicht fehlt dir einfach das richtige Gefühl. Und du hast noch nicht genug Erfahrung, um es zur Not auch ohne rüberzubringen.«
Nicholas, der eigentlich eine ausweichende Ermunterung erwartet hatte, starrte Dierdre an, als sie am Soufflierkasten vorbeiging, ihre Sachen auszupacken begann und sagte: »Wenn ich eine Anmerkung machen darf...«
»Natürlich.« Er folgte ihr, als sie über den Bühnenboden kroch, um die Zeichen für die Ein- und Ausgänge zu erneuern, die während der letzten Proben ausgeblichen waren.
»Nun gut... zuerst darfst du die anderen nicht so sehr einbeziehen, wenn du sprichst. Salieri... van Swieten... sie spielten in Mozarts Leben nur eine Rolle, soweit es sein Einkommen betraf. Als Menschen bedeuteten sie ihm gar nichts. Mozart war ein Genie - das sich seine eigenen Gesetze machte. Du scheinst ihn aber in deinen Monologen mit ihnen in Beziehung setzen zu wollen, was fatal ist. Sie sind da, um zuzuhören... aufzunehmen... Vielleicht auch, um ein wenig ... Angst zu haben...«
»Ja... das sehe ich ein... ich denke, du hast recht. Und Gott - was glaubst du, wie er über Gott denkt?«
»Mozart? Er >denkt< Gott nicht als etwas Eigenes, sieht ihn nicht als eine separate Einheit an, so wie es Salieri tut. Musik und Gott sind für ihn dasselbe. Und zu deinem Vortrag: Du erarbeitest ihn dir genau auf dem falschen Weg. Darum wird es sich auch immer so steif anhören.«
»Ich weiß!« Nicholas schlug sich gegen die Stirn. »Ich weiß.«
»Wenn du aufhören würdest, auf die Worte zu achten, sondern nur die Musik vernehmen würdest...«
»Da ist doch gar keine Musik.«
»...in deinem Kopf, du Dummerchen. Wenn du eine leidenschaftliche Rede über Musik hältst, mußt du sie auch hören. Bei den meisten Sequenzen ist Musik entweder unterlegt, oder sie kommt vorher. Das ist sehr... trocken. Also mußt du dir alle Aufnahmen anhören und sehen, welche von ihnen die Emotionen hervorrufen, die du brauchst, und die mußt du dann in deinem Geist mit den Zeilen verknüpfen. Ich meine natürlich nicht >mußt<...« Dierdre wurde plötzlich rot. »Nur wenn du willst.«
»Oh, aber das will ich! Ich bin sicher, das würde... es ist eine tolle Idee!«
»Du stehst mir im Weg.«
»Entschuldige.«
Nicholas blickte auf
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