Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
bemerkte Avery, »dann bloß nicht mit diesem Buch. Dieser Floyd ist für einen Feinschmecker völlig indiskutabel.«
»Mein Gott, bist du ein Snob«, sagte Nicholas.
»Richtig, junger Bradley. Das war das letzte Mal, daß du an meinem Tisch gegessen hast.«
»Oh! So habe ich das doch nicht gemeint, Avery. Ehrlich.« Halb außer sich, halb lachend, fuhr Nicholas fort: »Bitte. Entschuldige...«
»Ich sollte wohl annehmen«, sagte Harold, »daß es das Geschenk eines heimlichen Bewunderers ist. Und nun müssen wir anfangen. Hopp, hopp.«
Er steckte das Päckchen in seine Mütze. Der Moment der Freude, den das Erscheinen des Buches ausgelöst hatte (es war immerhin schon Jahre her, seit ihm jemand ein Geschenk gemacht hatte), war verflogen. An seine Stelle trat eine leichte Besorgnis. Was für eine seltsame Angelegenheit. Da hatte irgendwer soviel Geld für ein Buch ausgegeben, bloß um es dann anonym an jemanden zu schicken, der sich überhaupt nicht dafür interessierte. Aber Schluß jetzt, dachte sich Harold, denn er hatte nun wohl kaum die Zeit, über das Geheimnis dieses Buches nachzusinnen. Das Geheimnis des Theaters - das war seine Welt. Das war es, was er zu entzünden hatte. Und Stücke produzierten sich nicht von selbst.
»Gut, meine Lieben«, rief er, »von vorne. Und bitte... viel mehr Wahrhaftigkeit. Nicholas, erinnerst du dich... Wo steckt Nicholas?«
Mozart trat hinter den Kulissen hervor. »Hier bin ich, Harold.«
»Vergiß nicht, was ich dir am Montag gesagt habe. Resonances. Klar? Das ist es, was ich will - viel Resonanz. Du wirkst verwirrt.«
»... entschuldige, Harold.«
»Du kennst die Bedeutung des Wortes Resonanz, nehme ich an.«
»...ähm ...das war doch das Pferd von Don Quixote, oder?«
»O Gott, ich bin von Idioten umgeben!« schrie Harold.
Einige Tage vergingen. Bei den Proben ging alles schief, und die ersten Durchlaufproben waren absolut fürchterlich. Aber erst während der Kostümprobe (jedenfalls sagte das später jeder zu Barnaby) fing es wirklich an zu brodeln.
Als Esslyn mit seinem Tangotänzergang in seinem blausilbernen Mantel über die Bühne strich, wurde seine Vorstellung zu einer glänzenden Farce. Er dachte gar nicht mehr daran, mit seinen Kollegen zu spielen - tatsächlich sah er sie nicht einmal mehr -, und er spreizte sich und posierte, als wäre das ganze Stück sein Solo. Von seinen Kriechern bestärkt, setzte er die Seitenhiebe gegen David und Nicholas fort.
Nicholas kam damit gut zurecht. Sein vorheriges Gespräch mit Dierdre war das erste von dreien gewesen, und er tastete sich auf einem Weg voran, von dem er glaubte, er würde ihn zu einer wahrhaftigen, intelligenten und lebendigen Wiedergabe der Mozart-Rolle führen. Er war halbwegs durch die Eröffnungsszene und spielte gerade hinter Salieris Rücken, als Esslyn plötzlich seine Rede unterbrach und nach vorn zu den Strahlern an der Bühnenrampe ging.
»Harold?« Auf Harolds Gesicht stand Erstaunen, als er sich von seinem Sitz erhob und an die Rampe kam. »Gibt es eine besondere Betonung bei che gioia?«
»Was?«
»Entschuldige. Um ehrlich zu sein, mein Problem ist... ich bin mir nicht ganz sicher, was das heißen soll.« Schweigen. »Vielleicht kannst du mich da mal aufklären.« Lange Pause. »Ich wäre dir sehr dankbar.«
»Wer ist nun cattivo?« murmelte Clive.
»Weißt du das denn nicht?« hakte Harold nach.
»Ich fürchte, nein.«
»Willst du mir damit etwa sagen, daß du diese Zeilen, die du in den vergangenen sechs Wochen immer wieder aufgesagt hast, nicht verstehst?«
»So sieht es aus.«
»Und du nennst dich selbst Schauspieler?«
»Ich nenne mich mit derselben Berechtigung Schauspieler, mit der du dich Regisseur nennst.«
Eine noch längere Pause. Dann schien es für jeden spürbar in der Luft zu liegen, ein feiner Widerhall, wie der Schlag einer entfernten Trommel. Harold entgegnete mit auffallend ruhiger Stimme: »Versuchst du, mich in Rage zu bringen?«
»Glaube nicht, daß das nötig ist«, tuschelte Donald. »Der läuft doch nur mit heißer Luft.«
»Aber natürlich nicht, Harold. Ich dachte nur...«
»Ich werde es nicht für dich übersetzen. Mach deine Hausaufgaben.«
»Gut, das scheint mir aber ein wenig...«
»Also gut. Wir machen weiter, und das gilt für alle. Und keine weiteren Unterbrechungen. Wir haben schon genug Zeit
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