Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
der Schußlinie stand, war trotzdem schockiert. Das Fluchen brachte Kittys Gesicht zum Glühen, und Dierdres »Psssts« waren vergeblich. Einige der Ausdrücke kannte Dierdre aus dem Text von Amadeus, ein oder zwei weitere von den wenigen Gelegenheiten her, bei denen sie gezwungen gewesen war, eine öffentliche Toilette aufzusuchen, aber die anderen waren ihr absolut unbekannt. Und dann hatten sie auch noch einen ganz eigenen Klang, so als könnten gewöhnliche Beschimpfungen und Beleidigungen nicht einmal im Ansatz Kittys Zorn gerecht werden, weshalb diese sich anscheinend gezwungen sah, eigene derbe Wortschöpfungen zu erfinden.
»Bitte...«, sagte Dierdre in einem eindringlichen Flüsterton. »Das Publikum könnte dich hören.«
Daraufhin war Kitty still, gab jedoch mit einer plötzlich sehr ruhigen Stimme noch einen Satz von sich. »Wenn er mich auch nur noch ein einziges Mal anrührt«, drohte sie, »dann werde ich ihn umbringen, verdammt noch mal.«
Dann ging sie, immer noch mit langsamen Bewegungen und etwas steif, und Dierdre blieb mit offenem Mund und den drei Aspirins, die sich inzwischen in ihrer verschwitzten Handfläche aufgelöst hatten, zurück.
Barnaby und Troy waren sich, wie übrigens auch der Rest des Publikums, über die außergewöhnlichen Veränderungen im klaren, die Amadeus im zweiten Akt widerfahren waren. Es kam ihnen zu diesem Zeitpunkt so vor, als wäre das ausschließlich dem Darsteller zu verdanken, der den Salieri spielte.
Im ersten Akt hatte er eine gute, weil von den Pannen völlig unbeeindruckte Vorstellung gegeben. Jetzt im zweiten Akt schien sein gesamter Körper von explosiver Energie durchdrungen, die er kaum zurückhalten konnte. Es würde mich nicht wundern, dachte Barnaby, wenn er beim Zusammenschlagen der Hände oder dem Fersenstampfen auf der Bühne Funken versprühen würde. Die Luft, durch die er lief, während er Schwaden unterdrückter Wut hinter sich herzog, schien elektrisch geladen zu sein. Maureen Troy glaubte, sie hätte Coronation Street doch nicht ganz umsonst verpaßt, und Barnaby entdeckte, daß selbst seine Tochter jetzt gebannt dasaß und sich sogar nach vorn gebeugt hatte.
• Salieris erstaunliche Verwandlung half dem Stück im Grunde jedoch nicht. Der Rest der Besetzung schien jetzt eher entmutigt zu sein. Statt mit Esslyn zu spielen, so wie sie es vorher getan hatten (wenn auch mit unterschiedlichen Graden an Überzeugungskraft), navigierten sie nun übervorsichtig an seiner Umlaufbahn vorbei, so daß selbst beim direkten Dialog jeder Blickkontakt gemieden wurde.
Nicholas wartete auf seinen Auftritt und blickte in die strahlend hell erleuchtete Arena. Er war angespannt, aber frei von Furcht. Er reagierte sogar eher positiv auf die prickelnde Energie, die Esslyn bis hinter die Kulissen versprühte. Nicholas fühlte, wie sein eigenes Blut kochte. Er wußte, daß er sich der Kraft des Anderen entgegenstellen und sie sogar noch übertreffen konnte. Sein Geist war klar, sein Körper bebte in freudiger Erwartung. Er trat auf die Bühne und nahm nicht mehr wahr, wie Kaiser Joseph ihm zuflüsterte: »Paß bloß auf.«
Aber selbst, wenn Nicholas es gehört hätte, er wäre diesen Worten nicht gefolgt. Er wollte nicht leisetreten. Für ihn kam immer die Aufführung zuerst. Also ging er energisch auf Salieri zu, und als Esslyn sagte: »Ich fühle mit dem Verlierer«, und seine Hand ausstreckte, schlug Nicholas nur zu gern ein. Esslyn trat sofort vor den Jungen, verdeckte ihn vor dem Publikum, hielt Nicholas’ Hand und drückte zu. Und drückte. Fester. Und noch fester.
Nicholas’ Lippen verzogen sich gegen seinen Willen, zu einem stummen Schmerzensschrei. Seine Hand fühlte sich an, als wäre sie von einem Band wilder, spitzer Dornen umschlungen. Esslyn lächelte ihn mit einem breiten Schakalgrinsen an. Dann, gerade als Nicholas glaubte, der Schmerz würde ihn überwältigen, ließ Esslyn plötzlich los und huschte zum hinteren Teil der Bühne. Nicholas brachte nur noch eine einigermaßen vernünftige Annäherung an seinen Text zustande und schaffte es, zu seinem Flügel zu gehen und sich hinzusetzen. Die Venticellis traten auf, und Mozart, der nichts mehr zu sagen hatte, nutzte die Gelegenheit, seine Hand zu untersuchen. Sie war bereits geschwollen. Er Streckte behutsam die Finger aus. Der Handrücken war schlimmer dran als die Handfläche. Auf der Haut waren einige blaue Quetschungen zu sehen, und an manchen Stellen war
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