Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
um welchen Mann es sich handelt?«
»Aber...« Sie schwieg. Ihr Gesicht wurde vor spontaner Überraschung weich und zurückhaltend. »Nein, ich denke nicht im Ernst daran, es Ihnen auf die Nase zu binden, aber Sie scheinen das ja auch sehr gut selbst herausfinden zu können. Ich bin sicher, morgen um diese Zeit kennen Sie seinen Namen, wissen, was er zum Frühstück ißt und welche Sockengröße er trägt. Ganz zu schweigen von der Länge seines ...«
»Ja, schon gut, Kitty«, unterbrach sie Barnaby und bemerkte einen Ausdruck ausgelassener Heiterkeit auf dem Gesicht seines Sergeanten.
»Auf jeden Fall war es nicht das, was man unter einer richtigen Affäre versteht. Nicht so mit Volldampf. Mehr ein Spaß... alles sehr locker und unverbindlich, wirklich.«
»Haben Sie erwartet, daß Ihr Ehemann das auch so sehen würde?«
»Um Himmels willen, ich habe doch nicht ernsthaft damit gerechnet, daß er es herausfinden würde!«
»Wer, glauben Sie, hat es ihm wohl gesteckt?«
»Seine kleinen Skandalnudeln, schätze ich. Die sind ja nur dann glücklich, wenn sie einen netten großen Stein umdrehen und sich im Schlamm wälzen können. Er war schon immer darauf angewiesen, daß sie ihm den deftigen Klatsch Zuspielen.«
»Soweit ich weiß, haben Sie sich nach dieser Gewaltszene auf der Bühne eine Weile in den Kulissen ausgeruht.«
»Von einer ganzen Weile kann wohl kaum die Rede sein.«
»Und zwar am Requisitentisch. Tatsächlich fast direkt neben dem Tablett mit der Seifenschale und dem Rasiermesser.«
»Ich habe nur eine Sekunde dagesessen.«
»Mehr als eine Sekunde hätten Sie auch nicht gebraucht«, stellte Barnaby fest. »Es ist ganz offenkundig, daß derjenige, der an dem Rasiermesser herumgespielt hat - wer auch immer das gewesen sein mag -, es von dort weggenommen hat. Und fast der einzige Ort, an dem es unbeobachtet und in aller Ruhe manipuliert werden konnte, ist eine abgeschlossene Toilettenkabine.« Seine Stimme klang jetzt gepreßt. »Mir wurde berichtet, Dierdre hätte Sie in der Damentoilette angetroffen.«
»Wo sollte sie mich denn sonst finden? Etwa in der Herrentoilette?«
»Und Sie sollen zu ihr gesagt haben, daß Sie Esslyn töten würden, wenn er Sie noch einmal anrührt.«
Kitty starrte ihn an und wurde vor Schreck plötzlich kreidebleich. »Was für ein brillanter Schluß. Gerüchte. Spione. Spanner. Und nun auch noch eine elende Petze. Warten Sie bloß, bis ich die in die Finger kriege. Diese dumme Kuh!«
»Sie dürfen nicht auf Dierdre schimpfen«, entgegnete der Chefinspektor, der das Gefühl hatte, das arme Mädchen wenigstens vor einem weiteren Schwall von Unflätigkeiten bewahren zu müssen. »Sie waren bis in die Kulissen zu hören.«
»...Ach? Na und?« Kitty hatte ihr Gleichgewicht schnell wiedergefunden. »Sie haben doch selbst gesehen, was auf der Bühne vorgefallen ist. Was meinen Sie, was ich da hätte sagen sollen? Laß uns das öfter machen? Dieses Dreckschwein.«
Ihre Stimme war stahlhart, ihr Tonfall angeberisch. Barnaby, der sich an die kokett schmachtenden Blicke erinnerte, die sie ihrem Ehemann zugeworfen hatte, aber auch an ihre sonstigen kleinen mimischen Darbietungen, konnte nur mit Ironie an die verbreitete Auffassung denken, daß Kitty keinerlei schauspielerisches Talent besaß.
»Wie auch immer«, fuhr sie mit strahlenden Augen und verschlagenem Blick fort, »wenn ich auf dem Klo gewesen wäre, um das Tesa-Band abzureißen, dann hätte ich wohl kaum lauthals herausgeschrien, daß ich ihn umbringen will.«
»Es sind schon seltsamere Dinge vorgekommen. Sie könnten doch einen doppelten Bluff inszeniert haben, weil Sie vorausgesetzt haben, daß wir genau das denken würden.«
»Oh, kommen Sie, Tom. Sie kennen mich doch. So klug bin ich nun wirklich nicht.«
Sie starrten sich gegenseitig an. Kitty, deren veilchenblaue Augen vor Zorn dunkel waren, dachte daran, wie sie herausfinden könnte, wer sie in der Beleuchterkammer gesehen hatte, und wenn sie es erst wüßte, würde derjenige sich wünschen, nie geboren worden zu sein. Barnaby fragte sich, ob sie den Grund für Esslyns Ausbruch wirklich nicht gekannt hatte. Hatte sie tatsächlich (er blickte auf seine Uhr) über zwei Stunden mit Nicholas, dem zweiten Opfer von Esslyns Gewalttätigkeit, in der Werkstatt verbracht, ohne darüber Vermutungen angestellt zu haben und zu einem Schluß gekommen zu sein? Sie mußten sich doch
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