Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
an den Tisch zurückgekehrt.«
»Aber du hast nicht gesehen, daß er die Klinge berührt hat?«
»Äh... nein. Ich war ja auf der anderen Seite der Bühne, hinter dem Kamin. Und natürlich hatte er mir den Rücken zugekehrt...« Colin blickte auf, und dann fragte er mit einem leisen Hoffnungsschimmer in der Stimme: »Glaubst du... o Tom... du meinst, ich habe mich vielleicht geirrt?«
»Ich bin zumindest der festen Überzeugung, wir sollten keine weiteren vorschnellen Schlußfolgerungen aus deiner Beobachtung ziehen. Diese eine ist schon mehr als genug. Wir werden ja sehen, was David zu sagen hat, wenn er hier ankommt.«
»David... hier... O Gott!« Erschreckt sprang Colin von seinem Stuhl auf.
»Setz dich«, befahl Barnaby ärgerlich. »Du bist hier reingeschneit und hast ein falsches Geständnis abgelegt. Da du kein Wirrkopf bist, war es doch klar, daß du jemanden decken wolltest. Und es gibt nun mal nur einen Menschen, für den du soweit gehen würdest. Und hier« - der Summer ertönte - »haben wir ihn auch schon, wenn ich halbwegs richtig liege.«
Als die Tür aufging, zog Colin die Schultern zusammen und vergrub das Gesicht wieder in den Händen. Er blickte nicht auf, als David förmlich durch das Zimmer sprintete und neben ihm niederkniete.
»Dad - was soll das? Was tust du hier?« Als er keine Antwort bekam, wandte er sich an Barnaby. »Tom, was zum Teufel geht hier vor?«
»Dein Vater hat gerade den Mord an Esslyn Carmichael gestanden.«
»Er hat was getan?« David Smy blickte Barnaby absolut verständnislos an und wandte sich dann wieder der zusammengekrümmten Gestalt auf dem Stuhl zu. Er versuchte, den Kopf seines Vaters so zu drehen, daß er ihm ins Gesicht sehen konnte, aber Colin stieß einen wilden, tierischen Schrei aus und verbarg das Gesicht nur noch tiefer in den angewinkelten Armen.
David stand auf und erklärte: »Ich glaube es nicht. Das glaube ich einfach nicht.«
»Nein«, antwortete Barnaby trocken, »ich glaube das auch nicht.«
»Aber dann... weshalb dann das Ganze? Papa, was soll das alles?« Er schüttelte den Arm seines Vaters. »Sieh mich an!«
»Er wollte jemanden decken. Oder er hat sich zumindest eingebildet, das gelänge ihm dadurch.«
»Du dummer Kerl... kapierst du denn nicht, was du da tust?« In Davids Stimme schwang große Panik mit. »Aber... wenn du weißt, daß er lügt, Tom... dann ist doch alles in Ordnung, oder? Ich meine... das ist es doch?«
»Bis auf einen Punkt.«
»Und der wäre?«
»Was meinst du wohl, für wen er unschuldig ins Gefängnis ginge?«
David erstarrte, und Barnaby beobachtete, wie sein Gesichtsausdruck von Verständnislosigkeit und aufsteigender Besorgnis zur Ungläubigkeit überwechselte. Die Ungläubigkeit hielt sich am längsten. »Du meinst... er hat im Ernst geglaubt, ich wäre es gewesen?«
»Genau.«
»Aber warum um alles auf der Welt sollte ich Esslyn töten wollen?«
Barnaby hatte diesen Satz (vielleicht hier und da mit einer etwas anderen Betonung) schon sehr viele Male in seiner beruflichen Laufbahn gehört. Er hatte ihn aus Seelen voller Schuldgefühle und aus unschuldigen Seelen aufsteigen hören; mit großer oder mit nur wenig Empörung, in selbstgerechter Entrüstung hervorgebracht oder durchsetzt mit Angst. Aber noch niemals zuvor wurde dieser Satz mit einer so hundertprozentig echten Verblüffung geäußert, die sich auch in David Smys Gesichtszügen widerspiegelte.
»Nun«, meinte der Chefinspektor, »die allgemein verbreitete Meinung scheint zu lauten, daß deine Affäre mit Kitty durchaus ein Grund zum Töten gewesen sein könnte.« Davids Ausdruck des Unglaubens steigerte sich bis zu dem Punkt, an dem er wie vor den Kopf geschlagen wirkte. Er bewegte sein Haupt langsam von einer Seite zur anderen, so als wolle er sich von einem heftigen Schlag erholen, um endlich wieder klar denken zu können. Barnaby schlug vor: »Wenn ich du wäre, würde ich mich setzen.«
David ließ sich auf den zweiten mit Tweed bezogenen Stuhl sinken und stellte fest: »Ich denke, hier gibt es einige Mißverständnisse.« Daraufhin hob Colin den Kopf, und sein gequälter Blick schien einen anderen Ausdruck anzunehmen.
»Du bist in den Kulissen dabei beobachtet worden, dich in sehr verdächtiger Weise verhalten zu haben«, hielt ihm Barnaby vor. »Etwa so um Viertel vor.«
David wurde blaß. »Von wem?«
»Wir haben einen anonymen
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