Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Gebüsch und blieb auf einem holprigen Platz stehen. Beide Männer stiegen aus.
Unheimlich, dachte Troy, als er das Holly Cottage zum erstenmal sah. Es war grau und schmucklos und hockte wie eine bucklige Kröte am Waldrand. Trotz des schwülwarmen Wetters lief ihm ein Schauer über den Rücken. Man konnte sich gut vorstellen, daß jeden Augenblick eine Hexe aus der Tür schlich und Hänsel und Gretel verschlang. Wirklich wie bei den Grimms, dachte Troy und grinste über diesen klugen Vergleich. Er überlegte, ob er Barnaby seine Erkenntnis mitteilen sollte, entschied sich aber dagegen. Der heutige Tag war ohnehin schon verkorkst genug.
Als sie sich der Veranda näherten, brach die Sonne durch die Wolken und beleuchtete die Südwand des Hauses. Die Steine und Fenster schienen Feuer zu fangen und glitzerten in allen Farben.
Barnaby klopfte an die Tür. Keine Reaktion. Er senkte den Blick und entdeckte eine zarte Geißblattranke, die sich tapfer gegen die wuchernden Nesseln zu behaupten versuchte. Vielleicht hatte das Mädchen das Geißblatt gepflanzt und in der Hoffnung gehegt und gepflegt, daß es irgendwann einmal die ganze Veranda umranken könnte. Zwei Blüten hatten sich bereits geöffnet.
»Versuchen wir’s an der Hintertür.«
Hinter dem Haus befanden sich ein kleiner, asphaltierter Hof, noch mehr Nesseln, eine Regentonne mit abgestandenem, von einer dicken grünen Schleimschicht bedecktem Wasser und drei schwarze Plastiksäcke mit Abfall. Die Scheiben der beiden kleinen Fenster auf dieser Seite waren trüb vom Staub. Barnaby rieb eine kleine Stelle sauber und spähte ins Haus.
Ein Mann in blauem Hemd und Cordhose - beides war mit Farbspritzern übersät - stand mit dem Rücken zum Fenster vor einer Staffelei. Er schien fieberhaft zu arbeiten - der Pinsel zuckte unaufhörlich zwischen Palette und Leinwand hin und her.
»Er muß uns längst gehört haben, Sir.«
»Na, ich weiß nicht. Menschen in Phasen der Kreativität... er ist wahrscheinlich total abwesend.«
Sergeant Troy schnaubte. Den Gedanke, daß Malen jemanden taub zu machen vermochte, konnte er nicht so ohne weiteres hinnehmen. Er selbst hatte keine Zeit für das, was er künstlerischen Schnickschnack nannte - so etwas brachte der Gesellschaft seiner Ansicht nach keinerlei Nutzen, und trotzdem erwarteten die sogenannten Künstler, daß die Leute eine Menge Geld für ihre Machwerke ausgaben. Barnaby klopfte ans Fenster.
Der Mann wirbelte herum. Er bewegte sich ungeheuer schnell; man sah nur ein weißes Gesicht, das sich sofort wieder abwandte, dann stürzte er geradezu aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Barnaby hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde, und ging rasch zur Haustür zurück. Die beiden Polizisten kamen gerade an, als Michael Lacey die Tür öffnete.
Er war nur wenig größer als seine Schwester und sah ihr so ähnlich, daß die Verwandtschaft nicht zu leugnen war. Er hatte dieselben tiefgründigen, violetten Augen, dasselbe dunkle Haar, nur trug er es kurz geschnitten, und es lockte sich nach allen Seiten. Seine kleinen, wohlgeformten Ohren saßen relativ weit hinten - das und seine auseinanderstehenden Augen ließen ihn gefährlich aussehen, ähnlich einem boshaften Pferd. Nach Mrs. Rainbirds Bemerkung über das Bügeleisen hätte Barnaby erwartet, eine große, auffällige Narbe zu sehen, aber auf den ersten Blick schien Michael Laceys Gesicht vollkommen unversehrt zu sein. Erst dann fiel Barnaby auf, daß die Haut zwischen Wangenknochen und Mundwinkel etwas straffer, glatter und ein wenig gerötet war. Offenbar war die Verbrennung so stark gewesen, daß man eine Hauttransplantation vorgenommen hatte. Zusätzlich zu seinem guten Aussehen (dem der schimmernde Hautstreifen seltsamerweise gar keinen Abbruch tat) strahlte er eine umwerfende Männlichkeit aus. Aber keine Wärme. Michael Lacey würde, wenn er könnte, sich die Welt und ihre Bewohner so einrichten, wie es ihm paßte. Barnaby empfand Mitleid mit Judy Lessiter und sogar mit dem widerlichen Dennis Rainbird.
Er sagte: »Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
»Was wollen Sie?«
»Wir sind von der Polizei...«
»Sie sind also von der Polizei. Was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun? Eine Flagge hissen?«
»Wir befragen jeden im Dorf...«
»Ich wohne nicht im Dorf. Ich bin erstaunt, daß Ihr Scharfsinn Sie annehmen läßt, ich würde es tun.«
»... und alle Menschen der
Weitere Kostenlose Bücher