Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
konnte ihn jetzt noch davon abhalten, sein Wissen preiszugeben? Deshalb hatte Barnaby je eine Wache vor dem Krankenzimmer und neben dem Krankenbett postiert.
Barnaby hatte den Zeitungsartikel über die Voruntersuchung im Todesfall Bella Trace vor sich liegen. Jetzt kannte er die Wahrheit und erinnerte sich an seinen ersten Eindruck, daß irgend etwas nicht so recht zusammenpaßte. Er las den Artikel noch einmal Wort für Wort durch, in der Annahme, dieses Gefühl hätte sich inzwischen in Luft aufgelöst, aber er irrte sich. Ah, egal... das war jetzt nicht mehr wichtig.
Um ihn herum herrschte geschäftige Aktivität, und ständig klingelte irgendwo ein Telefon. Die Fleet Street interessierte sich ebenso wie der Sender BBC für die Vorgänge in Badger’s Drift. Obwohl bis jetzt noch kein Aufruf an die Bevölkerung ergangen war, meldeten sich etliche Leute, die natürlich erpicht darauf waren, eine wichtige Rolle bei einem derart dramatischen Ereignis zu spielen, und versorgten die Polizei mit Informationen und Angeboten.
Überall stapelte sich Papier. Jedes kleinste Detail wurde notiert, und alles, was bis jetzt noch nicht auf Karteikarten übertragen worden war, flatterte von Schreibtisch zu Schreibtisch. Analysen und Berichte aus dem Labor wurden an die Ermittler in der Baracke durchgegeben. Eine stark vergrößerte Karte des Dorfes und der Umgebung hing hinter Barnaby an der Wand. Auf den Fernsehbildschirmen war ein Lokalreporter zu sehen, der Mrs. Sweeney und Mr. Fenston interviewte, den Seniorpartner des Bestattungsinstituts (»Wir bieten Trost in der Stunde der Not«). Die Dorfbewohner gaben Polizisten Auskunft, wo sie sich zur Tatzeit, also zwischen drei und fünf Uhr nachmittags, aufgehalten hatten. Die in einem solchen Fall üblichen Routinearbeiten wurden gewissenhaft erledigt. Und obwohl Barnaby wußte, daß all die Dinge getan werden mußten, weigerte sich sein Verstand, die Details der Ermittlungsergebnisse aufzunehmen.
Seiner Ansicht nach gab es fünf Verdächtige (er hatte sich entschieden, Henry Trace auszuschließen, und Lessiter hatte ein bestätigtes Alibi), und diese fünf bewegten sich in einem bedächtigen Tanz vor seinem geistigen Auge. Wo er auch war, mit wem er auch sprach und was er auch tat, der Tanz ging weiter. Er trank seinen Kaffee aus - und sah diesen albernen Frosch wieder.
Es war kurz vor neun Uhr abends. Er kritzelte eine Bestellung für den Straßenverkauf des chinesischen Restaurants auf ein Papier - Ingwersuppe, süß-saure Garnelen, Reis und Frühlingsrollen, kandierte Äpfel - und gab sie gerade weiter, als das Telefon klingelte.
»Eine Mrs. Quine möchte Sie sprechen, Sir. Sie ist in einer Telefonzelle. Ich habe die Nummer notiert.«
»Gut... Mrs. Quine?«
»Hallo ? Was ist los ... hat Ihnen der Kerl in dieser Baracke nicht ausgerichtet, was ich gesagt habe? Über diesen Lacey?«
»Doch. Ich habe die Nachricht erhalten.«
»Wieso strolcht er dann immer noch im Dorf herum? Soll er uns erst alle aufschlitzen und in Stücke schneiden, bevor ihr eure Hintern in Bewegung setzt und etwas unternehmt? Ich hab’ gesehen, daß er frech wie Rotz auf das Haus zugegangen ist.«
»Wir auch ...« Barnaby hielt inne. Um ihn herum schrillten die Telefone, eine Schreibmaschine klapperte, draußen hielt ein Wagen mit quietschenden Reifen. Er hörte nichts von alldem. Er konzentrierte sich voll und ganz auf eine einzige Kleinigkeit. Es gab nur noch ihn, das Telefon und Mrs. Quine. Seine Kehle war staubtrocken, als er fragte: »Sie meinen, Sie haben gesehen, wie er auf das Haus zuging?«
»Das hab’ ich doch gesagt, oder? Der andere Polizist sollte ihnen das ausrichten. Er ging über den Gartenweg zur Hintertür. Er hatte den ollen Overall an und die Mütze auf dem Kopf. Ich würde ihn überall erkennen.«
»Um wieviel Uhr war das?«
»Also ... Die fliegenden Ärzte waren gerade zu Ende, und die nächste Serie hatte noch nicht angefangen. Ich war oben, um die Betten zu machen - deshalb konnte ich ihn sehen. Durch das Schlafzimmerfenster. Lisa Dawn machte Tee in der Küche.«
»Ja«, sagte Barnaby und wunderte sich selbst, daß seine Stimme so ruhig blieb, »aber wie spät war es da?«
»Das war um ... äh... fünf vor vier.«
Barnaby richtete sich auf und umklammerte den Hörer fester. Mrs. Quirie plapperte noch eine ganze Weile weiter, aber ihre Worte prallten an ihm ab. In seinem Kopf war alles in Aufruhr.
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