Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Als er näher kam, verstummte Phyllis und starrte ihn an. Der intensive Blick, dieses grenzenlose Elend in ihren Augen erhob sie für einen kurzen Moment über alles Triviale und machte sie beinahe zu einer tragischen Figur. Barnaby belehrte sie über ihre Rechte, und Troy, der sich bemühte, den Eindruck zu erwecken, daß er nichts anderes als diese Verhaftung erwartet hätte, holte seinen Notizblock hervor und setzte sich auf den Stuhl neben der Tür.
Phyllis Cadell blickte von einem zum anderen, blinzelte nervös und fragte leise: »Wie haben Sie es herausgefunden?«
»Wir haben einige Unterlagen in Mrs. Rainbirds Bungalow sichergestellt. Ihre Akte war auch dabei.« Sie würde nie erfahren, daß keine Angaben über die Art des Verbrechens in der Akte vermerkt waren und daß das Opfer der Erpresserin nur anhand von drei Zahlen und eines Initials identifiziert wurde. Oder daß Barnaby, da er sonst keine Beweise hatte, gehofft hatte, sie so einschüchtern zu können, daß sie ihre Schuld gestand.
Sie fing tatsächlich an zu reden. »Ich weiß, daß es Ihnen schwerfallen wird, das zu glauben, aber als ich in dieses Haus kam... natürlich war ich damals viel jünger....« Sie richtete niedergeschlagen den Blick auf den Boden - es war nicht zu übersehen, daß sie traurig wegen ihres Alters, ihrer äußerlichen Erscheinung und ihrer Reizlosigkeit war. »Und Henry war... ich tat alles im Haus, wissen Sie, und er war mir so dankbar. Dann... ich spürte, daß aus seiner Dankbarkeit mehr wurde. Bella war immer so beschäftigt. Ihre Stellung im Dorf verlangte, daß sie sich im Gemeinderat engagierte und sich für die Wohltätigkeit einsetzte. Sie war Präsidentin der Frauenorganisation und der örtlichen konservativen Vereinigung. Oh - sie kümmerte sich auf ihre lebhafte, energische Art um Henry, aber sie verbrachte eben die meiste Zeit außer Haus. Er wirkte manchmal so wehmütig und sehnsüchtig ... er saß am Fenster und wartete darauf, daß ihr Wagen in die Einfahrt einbog. Dann eines Abends - ich werde das nie vergessen«, Tränen flossen ihr über das aufgedunsene Gesicht, und ihre Stimme klang belegt, »ich machte Sandwiches - Frischkäse mit Meerrettich. Er nahm meine Hand und sagte: >Phyllis, was würde ich ohne dich anfangen?< Nicht >wir<.« Sie sah Barnaby trotzig an. »Er sagte >ich<. >Was würde ich ohne dich anfangen ?< Verstehen Sie - im Laufe der Zeit wandte er sich mir immer mehr zu. Ich hatte Verständnis für ihn. Ich liebte ihn so sehr, und es erschien mir nur natürlich, daß er anfing, mich auch ein wenig mehr zu mögen. Und dann dachte ich«, ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern, »wie glücklich wir beide sein könnten, wenn Bella nicht wäre.«
Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und schwieg so lange, daß Barnaby schon fürchtete, sie würde nie mehr ein Wort von sich geben. Aber gerade, als er etwas sagen wollte, redete sie weiter. »Zwischen mir und meiner Schwester gab es keine Zuneigung. Alle hielten Bella für einen so guten Menschen, weil sie mir ein Zuhause gab, aber sie hätte nie eine Haushälterin gefunden, die sich so für sie und ihren Mann aufopfert, wie ich es getan habe. Und sie prahlte regelrecht mit ihrem Glück. Sie merkte schnell, daß ich Henry sehr mochte. Bella konnte man nicht so leicht etwas vormachen.«
Barnaby setzte sich, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Ich habe schon in meiner Jugend gelernt, mit einem Gewehr umzugehen. So ist das eben auf dem Land, man vergnügt sich bei der Jagd. Aber ich konnte es nie leiden, Lebewesen zu töten.« Sie verzog den Mund, als sie begriff, wie widersinnig die Aussage unter diesen Umständen war. »Ich sagte Bella, daß ich froh wäre über eine Abwechslung von der ewigen Hausarbeit und gern mit auf die Jagd gehen würde. Henry war offenbar ein wenig überrascht, aber er freute sich. Ich nahm einen Flachmann mit Wodka mit. Damals habe ich noch nicht sehr viel getrunken. Ich hatte mir keinen endgültigen Plan zurechtgelegt, aber ich war sicher, daß sich eine Gelegenheit bieten würde. Auf der Jagd stellen sich die Leute nicht in einer Reihe auf, und sie bleiben auch nicht zusammen, sie trennen sich und schwärmen in verschiedene Richtungen aus. Aber je mehr Zeit verging, um so unmöglicher erschien es mir, mein Vorhaben auszuführen. Immer stand jemand zwischen mir und meiner Schwester, oder sie entfernte sich zu sehr und kam mir zu nahe. Ich war der Verzweiflung nahe und wußte nicht, was ich tun
Weitere Kostenlose Bücher