Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
Inspector. »Haben die eigentlich die Firma zusammen gegründet - Hollingsworth und Patterson?«
»Das weiß ich nicht genau. Gray hatte jedenfalls von Anfang an damit zu tun.«
»Was hatten die beiden für eine Beziehung zueinander?«
»Wie meinen Sie das?«
»Waren sie Freunde?«
»Keine Ahnung.«
»Also bitte, Mr. Burbage.« Barnaby gab sich keinerlei Mühe, seine Gereiztheit zu verbergen. »Hier arbeiten ein halbes Dutzend Leute auf engstem Raum zusammen. Sie müssen doch...«
»Soweit ich weiß, war das rein geschäftlich.«
»Wie ist denn dieses ganze Drama abgelaufen?«
»Das sollten Sie Patterson fragen.«
»Jeder Streit hat immer zwei Seiten. Und Hollingsworths Sicht werde ich ja nun nicht mehr erfahren.«
»Das stimmt.« Sein Sinn für Gerechtigkeit veranlaßte ihn offenbar fortzufahren. »Also wie ich bereits erklärt habe, bastelten die beiden an diesem neuen Mikrosystem herum. Und nach fast einem Jahr hatten sie einen Punkt erreicht, wo Gray der Meinung war, daß sie sich über die Vermarktung Gedanken machen sollten. Alan hingegen sagte, er wolle das ganze Paket noch eine Stufe weiterentwickeln, weil es dann mit den wirklich großen Software-Anbietern konkurrieren könnte. Er sprach tatsächlich von weltweiter Distribution. Für Gray war die Sache aber abgeschlossen, und natürlich fragte er Alan, wie denn diese weitere Stufe aussehen sollte. Alan blieb vage, sagte, er brauche noch etwas Zeit, um sich über seine Idee genau klarzuwerden. Es verging etwa ein Monat...«
»Damit wären wir...«
»Ähm, Anfang März, glaube ich. Jedenfalls versuchte Gray erneut, Druck auf ihn auszuüben. Sie müssen verstehen, Inspector, daß in dieser Branche ein harter Konkurrenzkampf herrscht. Jeder versucht verzweifelt, etwas Innovatives zu entwickeln, deshalb ist Zeit von entscheidender Bedeutung. Tage, selbst Stunden können manchmal schon ausschlaggebend sein. Obwohl Gray ihm vertraute - er hatte ja nie einen Grund für etwas Gegenteiliges gehabt - machte ihn Alans ausweichendes Verhalten nervös, und er versuchte, die Datei noch einmal aufzurufen. Sie verstehen, was ich damit meine, Chief Inspector?«
»So ungefähr«, antwortete Barnaby. Natürlich war ihm klar, daß das nichts mit Karteikästen zu tun hatte, diesen sperrigen Holzdingern, die einst in jedem Büro zum Inventar gehörten.
»Er konnte sie nicht finden. Gray hat zweimal nachgesehen und dann nach der Sicherungskopie gesucht. Doch die Diskette war ebenfalls verschwunden. Alan spielte den Ahnungslosen. Er wirkte bestürzt, aber bei weitem nicht so bestürzt wie Gray, der ganz außer sich war. Es ging hier um monatelange harte, kreative Arbeit. Es war vielleicht nichts umwerfend Originelles - die meisten neuen Sachen werden aus bereits Vorhandenem weiterentwickelt - doch nach damaligem Stand waren sie ihrer Konkurrenz deutlich voraus gewesen.
Es kam zu mehreren heftigen Auseinandersetzungen, die jedoch ohne Ergebnis blieben, dann schienen sich die Dinge irgendwie zu beruhigen. Wir nahmen an, daß Gray einfach akzeptiert hatte, daß Celandine - das war der Codename des Projekts - aufgrund einer furchtbaren Nachlässigkeit versehentlich von irgendwem gelöscht worden war. Doch da täuschten wir uns. Alans gelassene Reaktion auf das Unglück machte Gray argwöhnisch. Er lieh sich unter irgendeinem Vorwand Alans Schlüsselbund aus und ließ sich den Schlüssel von Nightingales nachmachen. Eines Nachmittags, als er wußte, daß Mrs. Hollingsworth nicht da sein würde, ist er ins Haus gegangen, hat Alans PC eingeschaltet und festgestellt, daß Celandine für zweihunderttausend Pfund an eine Firma namens Patellus verkauft worden war.«
Barnaby gab sich beeindruckt, was ihm auch nicht schwerfiel. »Ist Patellus einer der großen Jungs, von denen Sie eben sprachen?« fragte er.
»Nicht so groß wie Lotus oder Novell, aber auf dem Weg dorthin. Gray ist sofort hierhergefahren, in Alans Büro gestürmt, hat die Tür von innen abgeschlossen und ihn zur Rede gestellt. Es war entsetzlich. Der Lärm...« Mr. Burbage schauderte vor Abscheu. »Ich hab die Poljzei angerufen. Das mußte ich tun. Ich dachte, die bringen sich gegenseitig um. Gray bekam eine Strafe auf Bewährung, wie Sie vermutlich wissen.«
»Das ist richtig. Aber er wird die Sache doch bestimmt nicht dabei belassen haben?«
»Natürlich nicht. Er will uns wegen des Verlustes, der ihm entstanden ist, verklagen.
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