Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
Obwohl...« Burbage schien plötzlich nicht weiterzuwissen. Ganz offensichtlich hatte er im Laufe seines Berichts vergessen, daß die Situation sich mit Alan Hollingsworths Tod geändert hatte. »Was allerdings jetzt passieren wird, weiß ich nicht.«
»Ich nehme an, die Firma kann immer noch verklagt werden.«
»Alan war die Firma. Wir sind keine AG. Es gibt keine Aktionäre. Und ich kann Ihnen sagen, ich habe keine Ahnung, wie wir zweihunderttausend Pfund auftreiben sollen, von den Gerichtskosten ganz zu schweigen. Das ist«, fügte er hastig hinzu, »allerdings streng vertraulich.«
»Dann könnte man also sagen, daß Hollingsworths Tod sehr zum Nachteil von Gray ist?«
»Ja, das könnte man wohl sagen.«
»Wissen Sie ungefähr, wieviel Arbeit jeder einzelne von den beiden in Celandine gesteckt hat?«
»Eigentlich nicht. Ich möchte bezweifeln, daß sie das selbst sagen könnten. Diese Dinge sind sehr schwer zu quantifizieren.«
»Oder warum Hollingsworth plötzlich eine so große Summe gebraucht haben könnte?«
»Keine Ahnung.«
»Sagt Ihnen der Name Blakeley etwas?«
»Freddie Blakeley? Das ist der Filialleiter unserer Bank. Bei der Nat West.«
»Danke. Kennen Sie vielleicht auch den Namen von Hollingsworth privatem Anwalt?«
»Jill Gamble von Fanshawe & Clay. Das ist auch die Anwaltskanzlei von Penstemon.«
»Und noch eine letzte Frage. Irgendein Angehöriger sollte von Hollingsworths Tod benachrichtigt werden. Da seine Frau nicht da ist, wer könnte da sein nächster Verwandter sein?«
»Er hat einen Bruder in Schottland. Alan hat ihn mal als sehr fromm beschrieben, äußerst rechtschaffen, eine Säule der Gemeinde. Kann sogar sein, daß er Pfarrer ist.« Mr. Burbage gestattete sich ein kühles Lächeln. »Sie hatten nicht viel Kontakt.«
»Dann vielen Dank, Mr. Burbage.« Barnaby stand auf.
Mit einem Seufzer der Erleichterung erhob der Buchhalter sich ebenfalls.
»Wenn wir nun noch kurz mit den übrigen Mitarbeitern reden könnten?«
Mr. Burbage begleitete sie resigniert in die übrigen Büros, wo er während der gesamten Vernehmungen wie eine Anstandsdame nicht von ihrer Seite wich. Er rückte sogar ohne zu murren den Schlüssel von Alans Büro heraus und sah tatenlos zu, wie es abgeschlossen wurde. Dann begleitete er sie mit unglücklicher Miene nach draußen, als wolle er sicher sein, daß sie auch wirklich gingen.
* 5
»Ich brauche Zigaretten«, sagte Sergeant Troy. Auf dem Rückweg zu Nightingales kamen sie gerade bei Ostlers vorbei. »Möchten Sie irgendwas, Chef?«
Barnaby hatte einen wahnsinnigen Hunger. Es war mittlerweile fast vier Uhr. Sieben Stunden, seitdem er was gegessen hatte. Den Fraß, den man ihm im Goat and Whistle aufgetischt hatte, würde ja wohl kein vernünftiger Mensch als Essen bezeichnen.
Mit eingezogenem Kopf, um sich nicht an den Balken zu stoßen, folgte er Troy in den kühlen, weiß getünchten Laden und sah sich neugierig um. Er brauchte etwas Schmackhaftes und Sättigendes, das nicht bestrahlt werden mußte, um eßbar zu werden.
Die Auswahl war nicht berückend. Obst, Schokolade, billige Kekse einer ihm unbekannten Marke. Auf einem mit fleckigem Papier ausgelegten Backblech lagen ein paar schlaff aussehende Teilchen und mehrere merkwürdig nach oben gewölbte Törtchen, die mit Kokosraspeln bestreut waren. Daneben lag ein einsames Wurstbrötchen, das in Form und Machart bedrückend vertraut wirkte.
»Hey«, winkte ihm Troy zu. »Sehen Sie sich das mal an.«
Auf der Eistruhe lag ein Holzbrett mit mehreren kleinen Rohmilchkäsen, jeder auf einem eigenen Strohuntersetzer und von Lorbeerblättern umgeben. Einer der Käse steckte in einem entzückenden, mit einem Scharnier versehenen Igel aus Zinn.
»Ist das nicht süß?« Mitten auf dem Rücken des Tierchens war eine Metallöse. Troy steckte den kleinen Finger hindurch und hob die Form hoch. »Meine Mutter wär begeistert.«
Ohne den Halt der Zinnform fiel der Käse langsam in sich zusammen und verlief nach allen Seiten zu einer klumpigen cremefarbenen Masse.
In diesem Augenblick teilten sich raschelnd die bunten Plastikstreifen an der Rückwand des Ladens und eine bemerkenswerte Gestalt erschien.
Es war eine korpulente Frau in einem langen, graubraunen Kleid. Die weichen Lederlappen, die um ihre Füße gewickelt waren, wurden von schmalen Riemchen zusammengehalten. Ihre braunen,
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