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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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überhaupt soweit gekommen wäre.»
    Geistesabwesend pflückte sie eine Blüte von den Rosenranken und spielte damit. «Nein. Simon hätte sich einen derartigen Plan nicht ausdenken können. Er konnte ja nicht mal die Bridge-Scores behalten.»
    «Einfallsreichtum kann sehr angekurbelt werden, wenn ein Vermögen auf dem Spiel steht. Aber es war nicht bloß Habgier; es könnte auch Rache mit im Spiel gewesen sein. Er wurde in diesem Haus doch verachtet.»
    «Das ist nicht wahr! Man hat ihn sehr höflich behandelt.»
    Jury konnte nicht anders, er mußte lachen, doch es klang zornig und gequält. «O ja, höflich. Das könnte auch für Charlotte Stant gelten. Außen vor gelassen, aber sehr höflich behandelt. Oder wie Fürst Amerigo. Ausgehalten, aber sehr höflich behandelt.»
    Wirklich bemerkenswert, wie sie ihre Reaktionen unter Kontrolle hatte. Wie eine gute Schauspielerin konnte sie erspüren, konnte abschätzen, was zur Situation paßte und dabei ein ausdrucksleeres Gesicht, klar wie Wasser, wahren. Sie zuckte nicht mit der Wimper, und kein einziger kleiner Muskel spannte sich in ihren Wangen.
    «Außen vor und ausgehalten von Maggie Verver. Ihr Lieblingsbuch, Mrs. Lean. Ihre Großmutter und ich haben uns darüber unterhalten.»
    «Sie meinen Die goldene Schale .» Sie wandte den Blick ab und sagte dann genau das Richtige: «Ist schon lange her, daß ich es gelesen habe. Ihre Interpretation hat mich für einen Augenblick verwirrt.» Der Anflug eines Lächelns, während sie sich mit dem nächsten Satz noch ein paar Augenblicke Zeit ließ. «Ich für mein Teil urteile wohl nicht ganz so zynisch über Maggie Verver.»
    Hätte Jury seine Fälle als ein intellektuelles Kräftemessen verstanden, ihre Findigkeit hätte ihm vielleicht eine perverse Freude bereitet. Eine bewundernswerte Antwort. Er sagte: «Vielleicht hat sich am Ende nur der Fürst nicht verstellt.»
    «Blanker Unfug.» Sie wandte sich auf dem Pfad zum Gehen. «Falls Sie glauben, Simon war irgendwie derjenige, der sich nicht verstellte – nun …» Sie hob hilflos die Hände.
    «Mich hat mehr das geheime Einvernehmen interessiert. Maggie war das eigentliche Opfer, finden Sie nicht auch?»
    Energisch ging sie denselben Weg zurück. «Ebenso wie ich, das wollen Sie doch sagen. Darin zumindest stimme ich mit Ihnen überein, sollten sie die Wahrheit sagen; ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich unbedingt die Rolle des «vermeintlichen Opfers» spielen möchte. Ein Opfer meines Mannes, ein Opfer der Polizei. Sie stehen da und wollen mir weismachen, daß Simon Lean und seine Geliebte – oder eine von ihnen –» diese Bemerkung ätzte wie Säure – «mich umbringen wollten. Nun, das müßte man unwahrscheinlich gut planen; man müßte doch die Identität vertauschen. Keine leichte Sache, wenn man bedenkt, was wir alles mit uns herumschleppen. Es müßte doch Zeugen geben. Dann die Handschrift. Ganz zu schweigen von Fingerabdrücken. Man braucht doch nur die Fingerabdrücke der Toten –»
    Rasch drehte sie sich um und vertiefte sich in den Anblick eines Rotkehlchens, das sich auf der Steinschüssel niedergelassen hatte. Ihr Gebäude kam ins Wanken, sie hatte zuviel gesagt. Konsterniertheit wäre eine normale Reaktion gewesen, totale Kopflosigkeit, nicht wissen, was man sagen sollte; blankes Entsetzen hätte sie allein schon bei der Andeutung erfassen müssen, daß ihr Mann und seine Freundin kaltblütig ihre Ermordung geplant hatten. Als Fingerübung in Polizeiarbeit aber durfte sie diese Eröffnung wohl schwerlich auffassen.
    Und so versuchte sie denn, weitere Diskussionen zu unterbinden. «Ach, Quatsch. Es hätte nicht geklappt.»
    «Sie mögen doch die Sammlung Ihres Großvaters, die antiken Zinnsoldaten, ja?»
    Für einen Augenblick blickte sie ihn an. «Ja, das stimmt. Was um alles in der Welt hat denn das damit zu tun?»
    Er zog den säuberlich eingewickelten Beduinen aus der Tasche. «Kennen Sie den?»
    Sie hielt ihn unbeholfen mit dem Gartenhandschuh. «Er gehört zur Sammlung in Eleanors Wohnzimmer. Warum haben Sie sich den geholt?»
    «Fragen wir doch lieber: Warum war er in Sadie Divers Zimmer?»
    Sie gab ihn auf dem ausgestreckten Handschuh zurück. Ihr Blick schien die Figur in die Vergangenheit zu weisen, als sei sie etwas, das man dem Entschlafenen mit ins Grab hätte geben sollen.
    «Können Sie die Verbindung nicht ziehen? Ein Gegenstand aus Watermeadows wird in eine Wohnung in Limehouse gebracht. Aus welchem Grund? Doch nur, damit man

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