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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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die Frau gar nichts kaufen, sondern nur dem Geschäftsführer von Tibbet ein Gesicht und eine Adresse einprägen wollen? Melrose zog die beiden Fotos hervor und zeigte sie Agatha. «Ist das die Frau, die du getroffen hast?»
    «Ja. Woher hast du die?»
    «Gefunden. Bist du ganz sicher?»
    «Was meinst du mit gefunden ? Sind sie im Rinnstein an dir vorbeigeschwommen oder wie?»
    Melrose verschwieg hartnäckig Jurys Namen, sonst würde er hier noch bis Sonnenuntergang sitzen. Dabei herrschte im Haus sowieso schon Dunkelheit, da die Kletterpflanzen an den Sprossenfenstern kaum noch Licht durchließen. Es war, als wäre die Sonne noch gar nicht aufgegangen. «Sie waren in Simon Leans Tasche», sagte er rasch. «Welche von beiden ist es, Agatha?»
    «Beide.»
    Verflixt und zugenäht. Das hätte er sich denken können. «Du meinst also, es handelt sich wirklich um dieselbe Person?»
    Sie seufzte vor Ungeduld und sprach so langsam, daß es auch ihr beschränkter Neffe kapieren mußte. «Dies sieht ein wenig mehr nach ihr aus …» Sie tippte auf das Foto, welches Jury von Watermeadows mitgenommen hatte. «Aber auf diesem trägt sie dieselbe Kette.»
    «Welche Kette?»
    Agatha deutete auf die Perlen um den Hals der jungen Frau mit dem hochgetürmten Haar. «Die hat sie an dem Tag bei Tibbet getragen. Die Perlen. Sehr gute übrigens. Und wenn ich mich mit etwas auskenne, dann mit Schmuck.»
    Weiß Gott, dachte Melrose mit einem Blick auf die Silberbrosche seiner Mutter an ihrem Busen.

31
    S IE STAND AUF AUF DER ANDEREN S EITE der ausgetrockneten Wasserbecken, trug denselben Pullover und hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt. Wären da nicht der zu große Pullover und der überlange Rock gewesen, sie hätte zu den Gartenstatuen gehören können.
    Sie musterte ihn scharf, während er die Steinstufen herunter und über den Rasen auf sie zukam. Sie machte keinen Hehl daraus, daß sein Kommen sie interessierte. Sie gab auch nicht vor, hier draußen am Beton nach Zeichen von Verwitterung zu suchen, oder gar herausgekommen zu sein, um Blumen zu pflücken. «Da sind Sie ja wieder», sagte sie, als er das Wasserbecken umrundet hatte.
    «Das hat Ihre Großmutter auch gesagt.» Er blickte zum Himmel auf, der blaßbläulich und durchscheinend aussah. «Ob das wohl auch Penelope zu Odysseus gesagt hat? ‹Da bist du ja wieder?›»
    Sie reagierte nicht, lächelte nur etwas konfus. Warum hatte er das gesagt? Um sie hereinzulegen? Um herauszubekommen, ob sie die gebildete, angeblich belesene Frau war, welche all die Jahre auf Watermeadows gelebt hatte?
    Dann sagte sie: «Vermutlich noch mehr Fragen. Gestern war Inspektor MacAllister mit Superintendent Pratt hier. Es ist ganz offensichtlich, daß keiner von beiden mir glaubt. Sie denken, ich hätte Simon umgebracht. Gehen wir ein Stück?»
    Sie wandte sich ab, doch da er stehenblieb, sagte sie: «Oder wollen Sie etwa die Wahrheit aus mir herausstarren?»
    Er lächelte ein wenig. «Wenn ich das doch könnte.»
    Da fuhr sie wieder herum, die Hände so tief in den Taschen des Pullovers vergraben wie Gewichte, die sie niederzuziehen drohten. «Sie glauben also, daß ich lüge.»
    «Ja, ich glaube, Sie lügen.»
    Ihre Finger schoben ein paar Haarsträhnen zurück, die der Wind ihr ins Gesicht geblasen hatte. Sie sagte: «In welcher Hinsicht?»
    «Zum Beispiel, was Ihre Gefühle für Ihren Mann angeht.»
    Sie kam auf ihn zu, und sogar noch am Schritt war zu erkennen, wie zornig sie war. In ihren Augen flackerte es golden, so als flamme ein Streichholz auf. «Soll das heißen, Sie glauben nicht, daß ich mich von ihm scheiden lassen wollte?»
    «So in etwa.»
    «Warum um alles wohl nicht ? Sollte ich mir seine Untreue denn ewig gefallen lassen?»
    «Nein. Aber warum haben Sie sich das jahrelang gefallen lassen?»
    «Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht.»
    «Sie sind – wirken – überhaupt nicht gebrochen.»
    «Dann hätte ich auch kaum ein Motiv für den Mord an meinem Mann. Ich meine, falls ich nicht irrsinnig eifersüchtig war.»
    Er blickte sie lange an und fühlte den Umschlag mit den Fotos vom Schweiß seiner Hände feucht werden. «Ist es nicht gerade andersherum? Irrsinnige Eifersucht endet oft auf diese Weise – in einem rachsüchtigen Mord.»
    Sie hatte ihm halb den Rücken zugewandt, und ihr Profil zeichnete sich hart vor dem Hintergrund einer entfernten Steinmauer ab. «Sie glauben also auch, daß ich es war. Superintendent Pratt glaubt das auch.»
    «Mittlerweile ist

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