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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Nase der Polizei zu verstecken.
    Die Zeichnungen waren Originale von Matisse. Sie allein machten das Buch ausgesprochen wertvoll.
    Da eine der beiden Signaturen auf dem Deckblatt die von Matisse war, war es gewiß ein kleines Vermögen wert.
    Die andere Signatur war von James Joyce. Damit war es vermutlich unbezahlbar.
     
    «Sie machen sich also nichts aus Joanna Lewes’ Büchern?» fragte Jury.
    Theo gab einen erstickten Laut von sich. «Diese Null-acht-fünfzehn-Romane könnten auch von Affen geschrieben werden, und nicht mal die würden lange dafür brauchen.»
    «Aber sie wird sehr gern gelesen. Gerade haben Sie doch gesagt, daß man den verschiedenen Geschmäckern Rechnung tragen muß.»
    « Geschmäckern , Sie sagen es. Das Zeug von Joanna der Wahnsinnigen ist absolut geschmacklos.» Seine Augen schienen sich an Jury festzusaugen, während er ihm dichter auf die Pelle rückte. «Wissen Sie, daß die Frau Verträge für vier, sage und schreibe vier Bücher pro Jahr hat?»
    «Und da rackere ich mich für das Gehalt eines Polizisten ab.» Jury betrachtete Sendaks Wo die Wilden Kerle wohnen . «Ich weiß nicht recht, aber vor jemandem, der ein Buch zu Ende schreibt, ziehe ich den Hut. Das ist nicht einfach.»
    Theos Lachen schrillte. «Wem sagen Sie das. Ich habe für einen einzigen Roman fünf Jahre gebraucht.»
    «Nie etwas daraus geworden?» Jury wußte, was man anstellen mußte, damit Theo Wrenn Browne ungefähr so grün anlief wie die ausgestopften Ungeheuer, die durch ihre Reißzähne lächelten wie ein Kind mit Überbiß. Wie schaffte es Sendak nur, daß sie trotzdem so freundlich wirkten?
    Browne schien vor Jurys Augen in sich zusammenzufallen, sich zu verflüchtigen. «O doch, wenn Joanna den Anstand gehabt hätte, das Manuskript …» Er verstummte, holte noch eine Zigarre aus der Blechschachtel und zündete sie an.
    «Was war mit dem Manuskript?»
    Er fummelte mit zitternder Hand an seinem Feuerzeug herum und sagte: «Sie hat sich geweigert, es ihrem Verleger zuzuschicken. Bennick’s. Der bringt eine billige Reihe Liebesromane heraus –»
    «Was für ein Zufall. Simon Lean stand auch irgendwie in Verbindung mit Bennick’s.»
    «Mit Veröffentlichungen hatte er nichts zu tun – er war in der Buchhaltung oder so ähnlich.» Theo hohnlächelte. «Simon hätte nicht mal den Kahlen Adler herausgeben können, er war grenzenlos unsensibel, was Sprache angeht.»
    Jury legte das Ungeheuer, das er in der Hand gedreht hatte, auf den Ladentisch und sagte: «Mir scheint, Sie kannten ihn besser als nur ganz flüchtig.»
    Theo drückte seine kaum angerauchte Zigarre aus. «Entschuldigen Sie mich, Superintendent, ich muß schließen.»
    In diesem Augenblick tauchte ein Kind auf, das ein großes Buch die Treppe herunterschleppte. Theo musterte es kalt. Es trug einen blauen Trägerrock und hatte stämmige Beinchen; die Füße steckten in schmutzigen Turnschuhen. Der Scheitel des kleinen Mädchens reichte gerade an die Nußbaumplatte des Ladentisches heran und war unendlich weit entfernt von dem Leitergipfel des Besitzers, der mit eisiger Miene herabblickte. «Ich wußte gar nicht, daß du da oben warst; ich dachte, du wärst schon vor Stunden gegangen. Das hier ist keine Bücherei.»
    Sie sah ihn nicht an und sagte kein Wort, legte nur das große Buch auf den Ladentisch. Dann öffnete sie ein Plastikportemonnaie, aus dem sie eine Handvoll Kleingeld holte. Das Buch war von Maurice Sendak. Jury dachte zwar, alles von Sendak gelesen zu haben, doch das Buch mit dem kleinen Mädchen kannte er nicht. Das Titelblatt zeigte ein junges Mädchen; das blasse Gesicht, die flachsfarbenen Haare erinnerten ihn so sehr an Carrie Fleet, daß er sich einen Augenblick lang körperlich krank fühlte. Ein geöffnetes Fenster mit wehenden Vorhängen und ein gewickeltes Baby riefen auf dem Gesicht der Heldin einen Blick von tiefer Traurigkeit hervor.
    Das kleine Mädchen jedoch schaute keinesfalls traurig, als es das Buch in die Hände nahm und sein Geld auf den Ladentisch legte.
    Theo Wrenn Browne seufzte, machte sich an den Abstieg und ging dann übertrieben bemüht daran, die Zehn- und Zwanzig-Pence-Stücke zu zählen.
    Jury sah, wie das kleine Mädchen ihn im Auge behielt, während er ihr Buch betrachtete, und dann schien es Zutrauen zu ihm zu fassen, nahm das Buch und schlug eine Seite in der Mitte auf, die seine Lieblingsseite sein mußte, sonst hätte es sie nicht so schnell gefunden. Kleine Wichtel waren darauf zu sehen mit grauen

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