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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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hätte. Wirklich schade, ich hatte gehofft, Sie würden auf einen Drink mit in die ‹Feder› kommen.» Pfui über ihn, schließlich wußte er, daß sie wahrscheinlich gar nicht verabredet war. Dabei hatte er ihr nur etwas Nettes sagen wollen. Jetzt hatte er sie um ihre Chance bei ihm gebracht. Ihre Enttäuschung war deutlich zu spüren. Rasch sagte er: «Lassen Sie ihn doch warten. Kommen Sie, bloß ein Drink …»
    Schritte trampelten den Flur entlang; alle drei blickten zur Tür des Vorzimmers. Cyril hatte die Ohren angelegt, also konnte es sich nur um Racer handeln.
    «Los, tippen Sie», sagte Jury und vergaß dabei, daß sie damit wohl kaum von dem lehmverkleisterten Gesicht ablenken konnte. «Ich warte drinnen, mit gequälter Miene.»
     
    Als Jury die Tür zu Racers Heiligtum öffnete, witschte ihm Cyril zwischen den Beinen durch, schob sich wie eine Schlange über den Teppich, der die Farbe seines Fells hatte, und erklomm den Bücherschrank an der Wand neben Racers großem Schreibtisch. Seine Krallen gruben sich in die gerichtsmedizinische Wissenschaft, den Jahresbericht des Commissioners an die Queen und andere verstaubte Wälzer. Oben auf dem Bücherschrank balancierte das amtliche Porträt der Queen, weil der Nagel aus der Wand gefallen war. Dahinter, in dem dunklen Schatten zwischen Wand und Bild, hockte jetzt Cyril und wartete.
    «Was machen denn Sie hier?» fragte Chief Superintendent Racer, legte das Leinenjackett ab und machte es sich in seinem ledernen Drehstuhl bequem. «Sind Sie nicht im Urlaub? Davon bekommen wir weiß Gott viel zuwenig!» Ein schwerer Seufzer deutete an, daß Racer schon seit Jahr und Tag an seinen Schreibtisch gekettet war, eine Tatsache, die durch die Antigua-Bräune auf seinen rotgeäderten Wangen Lügen gestraft wurde. In diesem Jahr hatte er bereits dreimal die sonnigen Gefilde jenseits von Victoria Street aufgesucht, und nach dem Umschlag von British Airways zu schließen, der unter seiner Schreibunterlage hervorlugte, schien der Rückflug fällig. Anscheinend benutzte Racer sein Büro lediglich als VIP Lounge zwischen zwei Flügen.
    «Wollen Sie wieder fort? In die Karibik?» Jury streckte die Beine aus und gestand ihm einen fünfzehnminütigen Aufklärungsvortrag zu.
    «Was? Woher wissen Sie? Hat Kleopatra da draußen wieder gequatscht?»
    «Natürlich nicht», sagte Jury, der die meisten Informationen von Fiona bekam, denn mit dem Mundwerk war sie flinker als mit der Schreibmaschine. Er deutete mit dem Kopf zu dem Umschlag. «Das da.»
    Racer schnappte ihn, stopfte ihn in seine Schreibtischschublade und sagte: «Als Kriminalbeamter sind Sie wirklich ein As, wie?»
    «Wirklich ein As.» Jury unterdrückte ein Gähnen, als Racer zum rituellen Vortrag über das dornenvolle Leben des Polizisten anhob …
    Er warf einen Blick auf das Porträt der Queen. Der Rahmen bewegte sich. Jury sah, wie Cyrils schimmernder Kopf vorsichtig hinter dem Bild hervorlugte und Racers Platte von oben musterte. Dann zog er Kopf und Vorderpfoten zurück, streckte sie wieder heraus und zog sie wieder zurück. Er sah aus, als würde er sich vor dem herumwandernden Racer zwischen den Rockfalten Ihrer Majestät verstecken. Als er sicher war, daß Ihre Majestät ihm carte blanche , diplomatische Immunität oder was auch immer gewährte, legte er sich flach hin, ließ die Pfoten über die Kante des Bücherschranks baumeln und wartete, der Teufelsbraten.
    «… und hören Sie auf, Ihre Nase in Dinge zu stecken, die nur die County-Polizei angehen, Jury!»
    «Die Leiche ist fast auf mich drauf gefallen», sagte Jury ruhig, während er sich gleichzeitig mit einer Havanna-Zigarre bediente, die Racer aus Antigua geschmuggelt hatte.
    «Beim nächstenmal lehnen Sie sie wieder an und machen sich aus dem Staub! Sicher haben Sie auch diesen verdammten Grafen oder Herzog, oder was er ist, wieder zugezogen – wohnt er nicht in dem Kaff? –, damit er Ihnen die Laufarbeit abnimmt. Ein Polizist hat es schon schwer genug, auch ohne daß er einen Laien als Partner benutzt.»
    «Mein Partner ist Sergeant Wiggins; und den wollte ich holen.» Er blickte zum Bücherschrank auf. Cyril ruckte mit dem Kopf zur Seite, und Jury wußte, daß er niesen mußte. Als es passierte, raschelte Jury mit der Zellophanhülle der Zigarre.
    Racers Kopf fuhr hoch. «Was war das?»
    «Entschuldigung.» Jury warf die Hülle in den Aschenbecher.
    Aber Racer hatte schon zu lange mit Cyril Krieg geführt, als daß er auf den Zellophantrick

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