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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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werde in diesem berauschten Zustand lauter Katzen aus dem Sack lassen, all die Geheimnisse, die ich so lange gehütet habe?» Er rutschte etwas tiefer in seinen Sessel. «Eines muß ich Ihnen lassen: Ihre Methode ist wesentlich angenehmer als die von Sergeant Cullen.»
    Jury schwieg.
    Parmenger fixierte ihn mit dem klaren Blick des Künstlers. «Die Geduld in Person, stimmt’s? Sie warten einfach nur ab.» Er trank einen Schluck.
    «Würde ich vielleicht. Wenn ich nur wüßte, worauf.»
    «Das weiß anscheinend keiner von uns beiden, nicht wahr?» Es war eine einfache Feststellung ohne Groll und ohne seine sonstige Ironie. «Stümperhafte Arbeit.» Er wies mit dem Kopf auf das Gemälde von Old Hall. «Ich habe Helen nie ganz verstanden. Obwohl ich doch derjenige war, der immer alles wußte. Das Genie.» Er hob das Glas, schien aber nicht betrunkener, sondern immer nüchterner zu werden.
    «Sie sagen das, als wäre Ihnen das völlig gleichgültig.»
    «Ich wiederhole nur, was die Kritiker sagen. Und wenn schon Seaingham nicht weiß, wer eines ist und wer nicht, wie zum Teufel, soll dann ich es wissen?» Seine Stimme veränderte sich, als er hinzufügte: «Netter Kerl, dieser Charlie.»
    «Helen Minton schien viel von Ihrer Malerei zu halten.» Jury betrachtete das abstrakte Bild an der gegenüberliegenden Wand. «Komisch, daß jemand, der so gute Porträts malt, vor allem wegen seiner abstrakten Bilder bekanntgeworden ist …»
    «Sie haben keine Ahnung von der Malerei, Superintendent», sagte Parmenger nüchtern. «Wie übrigens die meisten Leute, die ich kenne, selbst Kollegen …»
    «Ihr Vater war mit Rudolph St. Leger befreundet, sagte seine Frau. Haben Sie ihn auch gekannt?»
    «Ich erinnere mich an ihn. Er war ein Narr. Hielt sich für den Whistler des 20. Jahrhunderts – düstere Szenen mit Bäumen, Wiesen und Kühen. Sentimentaler Quatsch, Imitationen von irgendwelchen Spätromantikern aus dem 19. Jahrhundert. Er haßte meine Sachen und wollte verhindern, daß ich in die Akademie aufgenommen wurde. Hielt mich wohl für eine Krähe, die zu hoch hinauswollte. Oder für einen Hornochsen. Dabei kriegte er nicht einmal eine richtige Kuh hin. Und er hätte überhaupt nichts hingekriegt, wenn sie nicht gewesen wäre. Sie war diejenige, die Kohle und Beziehungen hatte. Sie hat seine Ausstellungen finanziert und die Kritiker so weit gebracht, daß sie kamen und einigermaßen passable Rezensionen schrieben. Nur Charlie hat sich geweigert. Er hüllte sich in Stillschweigen wie Thomas Morus bei der Eheschließung von König Heinrich. Ich hielt das damals für sehr taktvoll. Zugegeben, der gute alte Rudy verfügte über eine gewisse Technik, der es zu verdanken war, daß seine Malerei nicht ganz und gar als peinlich empfunden wurde. Ich meine, setzte man ihm eine Pistole auf die Brust, hätte er auch eine Kuh zustande gebracht. Leute wie Sie – nehmen Sie’s mir nicht übel – würden sich seine Kühe und Pferde bestimmt ansehen und sie ganz nett finden. Aber Elizabeth St. Leger war überzeugt davon, daß er wirkliches Talent besaß. Ich weiß nicht, ob einem so was guttut. Viele Leute lügen aus Liebe. Vielleicht nicht absichtlich. Sie wissen es einfach nicht besser. Aber warum erzähle ich Ihnen das bloß alles? Ich habe in den vergangenen Jahren nie an den alten Rudy gedacht.»
    «Es interessiert mich durchaus.»
    Parmenger bedachte Jury mit einem forschenden Blick. «Kann ich mir vorstellen», sagte er. «Der Junge tut mir ja ein bißchen leid. Ich weiß, wie es ist, wenn man ständig unter Aufsicht steht – wollen Sie noch was?» Er hielt die Whiskyflasche hoch und schien überhaupt nicht zu bemerken, daß Jury nur an seinem Glas genippt hatte. Jury hielt es ihm dennoch entgegen. Parmenger fuhr fort: «Mein eigener Vater hat versucht, mich mit allen Mitteln vom Malen abzuhalten. Einmal hat er sogar in blinder Wut meine Farben aus dem Fenster geworfen. Er gab mir auch kein Geld für die Kunsthochschule, aber das hat auch nicht weiter geschadet. Ich sollte in seine Fußstapfen treten und nicht nur – wie er sich ausdrückte – auf der Leinwand herumklecksen.» Parmenger lächelte traurig. «Als er diesen Wutanfall bekam, flog alles zum Fenster raus, sämtliche Farben und Pinsel.»
    Jury schmunzelte. «Ich glaube, Tommy Whittaker weiß sich schon zu helfen. Sie haben es ja auch geschafft.»
    «Ich mußte. Mein Vater kriegte zwar nicht mich unter seine Fuchtel, aber dafür Helen. Womit hätte sie sich denn schon

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