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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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das angenommen.»
    Sie erhob sich. «Ich habe wirklich sehr viel zu tun. Gibt es sonst noch etwas zu klären?»
    «Im Augenblick nicht», sagte Jury.
     
    «Trinken wir was im ‹Cross Keys›», schlug Jury vor, als sie auf das eiserne Tor zugingen. «Ich brauche was, um die Kälte in den Knochen zu verjagen.»
    Es summte, und das Tor öffnete sich; hinter ihnen raschelte es in den Zweigen.
    «Leb wohl», sagte der Baum. «Gott segne dich.»
    «Was war das?» fragte Wiggins und sah sich nach allen Seiten um.
    «Die Bäume hier sind anders als die in London. Sie reden.» Jury zog einen kleinen Beutel aus der Tasche, verschnürte ihn fest und rief dem Baum zu: «Fang!»
    Wiggins zog sich fröstelnd seinen Schal um den Hals und betrachtete seinen verrückt gewordenen Vorgesetzten, der zusah, wie der weiße Beutel zwischen den Zweigen verschwand.
    «Leb wohl, und Gott segne dich.»
     
    Wiggins, der mit sanfter Gewalt zwei junge Frauen von dem gemütlichsten Tisch am Kamin verdrängt hatte, saß nun einigermaßen zufrieden vor einem dicken Sandwich und einem mit Zimt und Butter gebrauten Bier. «Nach allem, was Sie mir erzählt haben», sagte er, «gibt’s eigentlich kaum jemanden mit einem besseren Motiv.»
    «Um Helen Minton am Reden zu hindern? Ich traue Miss Brown zwar durchaus einen Mord zu, wenn für sie etwas dabei herausspringt. Aber in diesem Fall hätte sie einfach ihre Sie-schulden-mir-Methode ausprobieren und Helen unter Druck setzen können. Erpressung vielleicht. Aber wer hätte denn nichts erfahren dürfen?»
    «Ausgezeichnet, dieses Sandwich», sagte Wiggins. «Chips auf Brötchen, wer hätte das gedacht. Glauben Sie, es war Frederick Parmenger?»
    «Vielleicht hat sie versucht, ihn zu erpressen. Er ist aber bestimmt nicht darauf eingegangen. Ich weiß, daß nicht alles stimmt, was sie uns erzählt hat; Danny Lyte ist nicht einfach zufällig aufgekreuzt. Ich werde noch mal zu Helen Mintons Cottage gehen, und Sie sollten sich auf dem Northumbria-Revier die Unterlagen über diese Frau ansehen. Sie arbeitete für eine Isobel Dunsany. Miss Dunsany meinte, sie wäre sehr tüchtig gewesen und hätte beste Referenzen gehabt. Ich frage mich, ob sie die vielleicht von Edward Parmenger bekommen hat.»
    Wiggins notierte sich das und widmete sich dann wieder seinem Sandwich. «Wollen Sie nichts essen, Sir? Würde Ihnen guttun.»
    «Ich esse nur Erbsenpüree», sagte Jury und leerte sein Glas.

24
    Es wurde langsam dunkel. Durch ein Fenster von Helen Mintons Cottage fiel schwaches Licht, und die Haustür stand offen.
     
    Mit einem Drink in der Hand stand Frederick Parmenger vor dem Bild von Washington Old Hall und betrachtete es. Als Jury eintrat, wandte er sich zu ihm um, als hätte er ihn erwartet oder als wäre es ihm, da Jury nun einmal da war, egal, daß man ihn hier antraf. Er deutete auf die Wand über dem Kaminsims. «Sie hat mein Bild abgenommen.»
    «Vielleicht wollte sie nicht ständig mit sich selbst konfrontiert werden.»
    Parmenger schwieg einen Augenblick. «Was», fragte er dann dumpf und machte eine weit ausholende Armbewegung, «soll ich nun mit alldem anfangen?»
    Jury holte sich ein Glas aus dem Schrank und setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel. «Sie könnten noch einen trinken.» Er füllte ihre Gläser. Aber Parmenger war nicht der Typ, den man mit Alkohol zum Sprechen brachte. Die Stille senkte sich über sie wie die Abenddämmerung über den winterlichen Garten, in dem die kahlen Stengel der Dahlien in die Luft ragten und der Frost die Pflanzen mit einer dünnen Eisschicht überzogen hatte. Nur das Ticken der alten Uhr war zu hören. Parmengers Schweigen zehrte stärker an den Nerven, als ein Schwall von Klagen es getan hätte. Eine abrupte Handbewegung ließ erahnen, wie gern er sein Glas gegen das Bild geschleudert hätte, das den Platz des von ihm gemalten eingenommen hatte. Jury hörte förmlich schon das Glas klirrend an der Wand zerschellen, als er das Schweigen mit einer bewußt vorsichtigen Frage brach: «Sie haben sie wohl sehr gemocht?»
    «Gemocht? Ja.» Parmengers Stimme klang hölzern. Er leerte sein Glas zur Hälfte und verfiel wieder ins Brüten.
    «Sie haben sie aber nicht sehr häufig besucht?»
    «Helen lag nicht so viel an meinen Besuchen.» Er griff nach der Flasche und goß sich etwas nach. «Sie hat mich nicht wirklich gemocht.»
    Um seine Lippen spielte die Andeutung eines Lächelns. «Sie denken wohl, ich bin betrunken – zu Recht, ich bin’s oft genug – und

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