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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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lange, daß Sie Maureen noch davon erzählen können.»
     
     
    IN der Bonaventura-Schule wurden sie von dem Jury bereits bekannten schmächtigen Mädchen empfangen. Jury gewann jedoch nicht den Eindruck, daß sie hier besonders willkommen waren.
    Schon die Haltung, die Miss Hargreaves-Brown an ihrem Schreibtisch einnahm, signalisierte den Besuchern, daß sie nur ihre Zeit hier vergeudeten. Aber immerhin stand sie auf, als Jury Sergeant Wiggins vorstellte. Die Begrüßung, die Wiggins zuteil wurde, fiel jedoch auch nicht entgegenkommender aus als die Jurys zwei Tage zuvor.
    Sie trug dasselbe schwere Wollkleid, aus dessen Ärmel ein Zipfel ihres weißen Taschentuchs hervorragte, dieselben dunklen Strümpfe und altjüngferlichen Schuhe. Ihre Augen waren kalt und ausdruckslos wie zwei auf Hochglanz polierte Pennies. Aber hinter ihrem kühlen, distanzierten Äußeren glaubte Jury die innere Anspannung zu spüren. Immerhin konnte das Auftauchen von zwei Polizisten bedeuten, daß die Angelegenheit nun langsam ernst wurde.
    Er kam ohne Umschweife zur Sache. «Es geht um Helen Minton, Miss Brown, und Ihr Verhältnis zu ihr. Sie hießen doch einst schlicht und einfach Annie Brown, nicht wahr?»
    Sie schien die Hände noch fester ineinander zu verkrampfen, sagte jedoch nichts, sondern starrte nur an ihm vorbei durch das hohe, breite Fenster, das auf den Hof hinausging. Keine Kinderstimmen drangen von draußen herein.
    «Die Kinder», sagte Jury, «sind wohl in ihren Klassenzimmern, vermute ich. Was immer Sie hier an Kindern haben.» Langsam wandte sie den Kopf; der ausdruckslose Blick war einem unsteten gewichen. «Ich nehme an, Sie hätten aus dieser Schule am liebsten eine zweite Laburnum School gemacht. Aber hier …» Jury zuckte die Achseln. Sie schwieg noch immer. Jury zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, zündete sich eine an und gab Wiggins ein Zeichen.
    Mit unbewegter Miene leierte Wiggins aus seinem Notizbuch dieselben Dinge herunter, die er Jury bereits im Bahnhofscafe vorgelesen hatte, «… und Sie verließen Laburnum zur selben Zeit wie Miss Helen Minton. Auf den Tag genau. Parmengers Anwälte haben uns nach sanfter Überredung» – Wiggins lächelte auf seine typische schmallippige Art – «erzählt, daß der Bonaventura-Schule ein paar tausend Pfund überwiesen wurden. Nicht gerade viel für einen Kasten von dieser Größe. Hat wohl kaum die Heizkosten gedeckt.» Wiggins entnahm seiner Taschenapotheke eine Tüte Hustenpastillen und riß den winzigen Plastikstreifen ab, als hätte ihn diese Bemerkung an die Heerscharen von Viren gemahnt, denen er sich in diesem schlecht beheizten Raum aussetzte.
    Nun begann Jury wieder zu reden: «Edward Parmenger hat Ihnen den Posten verschafft. Oder vielmehr gekauft. Ich habe den Eindruck, daß ein hübsches Sümmchen in diese Schule gepumpt worden ist. Den Löwenanteil aber bekamen Sie. Damit Sie schwiegen.»
    Sie versuchte noch einmal in aller Hargreaves-Brown-Manier aufzutrumpfen, aber ihre Courage hatte sie längst im Stich gelassen. «Ich habe nichts Ungesetzliches getan», sagte sie.
    «Das kommt darauf an.»
    «Ich weiß nicht, was Sie meinen.»
    «Ich dachte an Robin Lyte.»
    «Robin? Was ist mit ihm?» Ihr Gesicht erstarrte zu einer ausdruckslosen Maske.
    «Er ist doch Helen Mintons Sohn, oder? Sie waren die Lehrerin, der Helen ihr Herz ausgeschüttet hat. Das war Helens Pech. Denn Sie liefen schnurstracks mit der Nachricht zu Edward Parmenger. Parmenger war ein hartgesottener alter Puritaner und hütete seinen Sohn wie seinen Augapfel. Schlimm genug, daß sein Mündel schwanger war. Aber schwanger vom eigenen Cousin …»
    Konvulsivisches Gelächter unterbrach ihn. «Cousin!» keuchte Annie Brown, als sie sich von ihrem Lachanfall erholt hatte. «Die Blutsbande waren sehr viel enger, Superintendent. Sie waren Halbgeschwister.» Daß sie ihrerseits mit einer Enthüllung aufwarten konnte, schien ihr enormes Vergnügen zu bereiten. «Anscheinend wissen Sie doch nicht alles.»
    «Dann wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns aufklären könnten.»
    Mit gespielter Ruhe studierte sie ihre Fingernägel. «Sie haben recht, was das Geld, die Schule und das Vertrauen betrifft, das beide, sowohl Helen als auch ihr Vater, in mich setzten.»
    Wie jemand dieser Frau vertrauen konnte, war Jury ein Rätsel. «Mit ‹ihrem Vater› meinen Sie wohl Edward Parmenger?» fragte er.
    «Natürlich. Weder Helen noch der Junge – hieß er nicht Frederick? – wußten etwas von

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