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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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genug. «Er hat seine eigene Wohnung. In St. John’s Wood. In der Nähe von Keats’ Haus. Keats, der Dichter», ergänzte sie zu Jurys besserem Verständnis. «Die Wohnung ist zwar ziemlich klein, aber er meint, das Licht darin sei gut. Er kam manchmal zum Abendessen zu Miss Helen. Er ist ein großer Maler, aber ich versteh nicht viel von solchen Sachen.» Maureen hatte sichtlich Ehrfurcht vor Mr. Frederick – wie wahrscheinlich vor all jenen Größen, deren Namen aus irgendwelchen Gründen in der Zeitung standen, ob es sich nun um Künstler, Rockmusiker oder Filmstars handelte.
    «Die beiden standen also in gutem Einvernehmen miteinander?»
    Sie schien ganz verdutzt darüber zu sein, daß Jury eine andere Möglichkeit überhaupt in Betracht zog. «Ihr Tod wird ihn umbringen», sagte sie schlicht.
    Das überraschte Jury. Helen Minton hatte nicht den Eindruck gemacht, als glaubte sie, daß von ihrer Existenz oder Nichtexistenz das Leben eines anderen abhinge. «Und weiter?» fragte er.
    «Nichts weiter.»
    Redselig war Maureen bestimmt nicht. Jury lächelte ihr zu. Er hatte damit bei verstockten Frauen schon oft Erfolg gehabt und sie in Plauderstimmung versetzt. Und Maureen war dafür ebenso empfänglich wie Wiggins für die Verlockungen des federleichten Biskuitkuchens, den sie zum Tee gereicht hatte. Er verdrückte bereits sein zweites Stück.
    «Sie glauben also, Frederick Parmenger hat – hatte – seine Cousine sehr gern.»
    «Ja, das glaube ich.» Sie schenkte sich und Jury noch etwas Tee ein und hing ihren Erinnerungen nach. Von dem Augenblick an, als Helen das Haus betrat, seien die beiden ein Herz und eine Seele gewesen. Einfach unzertrennlich. «Bis sie aufs Internat kam. Er hat ihr das Malen beigebracht oder es zumindest versucht. Sie bekam aber nie so richtig den Dreh raus. Aber er, er war ein Genie, schon als kleiner Junge. Ich war damals natürlich noch nicht hier, aber Mrs. Petit – die Köchin – hat’s mir erzählt. ‹Er ist ein Genie.› Das waren ihre Worte.»
    Ob Maureen oder Mrs. Petit verstanden hatten, was das bedeutete? Das Wort allein genügte; es schwebte im Raum wie der Wohlgeruch guten Essens.
    «Oben hängen viele Bilder von ihm. Sie sollten sie sich einmal anschauen.»
    «Ich würde mir gerne das ganze Haus ansehen, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht.»
    Für ihn, sagte ihr Blick, wäre ihr nichts zuviel. Das Geplauder mit Jury und der Anblick des Kuchen essenden Wiggins hatten Maureen merklich beruhigt. Die Tatsache, daß ein Inspektor von Scotland Yard den Tod ihrer Herrin untersuchte, schien sie nicht weiter zu verwundern. Für Maureen waren plötzlicher Tod und Polizei gleichbedeutend.
    Als Jury erneut auf den älteren Parmenger zu sprechen kam, nahm ihr Gesicht wieder den verschlossenen Ausdruck an.
    Aber Jury glaubte, den Schlüssel zu dieser Tür zu kennen. «Wissen Sie, Maureen, ich kannte Helen Minton.»
     
     
    Sie setzte sich kerzengerade auf. Jury war nun nicht mehr der Polizist, der eine Routineuntersuchung durchführte, sondern so etwas wie ein Seemann, der von einem Törn gekommen ist, um seinem Zuhörer die erstaunliche Mär zu erzählen, er sei in einem fremden Hafen auf dessen lange verschollenen Bruder getroffen. «Es war eine zufällige Begegnung. Ich kannte sie im Grunde nur flüchtig.»
    «Ach, sie war ja so ein liebenswerter Mensch.» Sie fixierte Jury mit einem beunruhigten Blick. «Aber warum stellen Sie mir eigentlich all diese Fragen?» Erst jetzt schien ihr aufzugehen, daß wohl kaum ein Superintendent von New Scotland Yard zu ihr käme, wenn die Frau eindeutig eines natürlichen Todes gestorben wäre.
    Jury antwortete ihr nicht direkt. «Ich wollte etwas über ihr Verhältnis zu ihrer Familie erfahren – zu ihrem Onkel, ihrem Cousin oder sonst jemandem, der vielleicht einen Groll gegen sie gehegt haben mag.» Wiggins zog jetzt diskret sein Notizbuch hervor, ohne daß Jury ihn diesmal daran gehindert hätte.
    «‹Groll›?» Maureen blickte von einem zum anderen, sah, daß sie es ernst meinten, und lachte gezwungen. «Das klingt ja fast, als glaubten Sie, Miss Helen sei …» Sie brachte das Wort nicht über die Lippen.
    Jury sprach es aus. «Ermordet worden? Diese Möglichkeit besteht, ja.»
    «Das ist doch Unsinn!» Ihr dünnes Lachen klang weit weniger überzeugend als ihre Worte. «Niemand hätte Helen Böses gewünscht.» Freundschaft siegte über Förmlichkeit, sie vergaß, «Miss» zu sagen. «Sie hatte keine Feinde; allerdings auch

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