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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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kaum Freunde. Ich meine, sie ging nicht viel aus und bekam selten Besuch.»
    «Sie hatte ihren Cousin.»
    «Mr. Frederick? Das ist was anderes.»
    «Wissen Sie, wo er ist? Wir haben ihn bisher noch nicht ausfindig machen können. Die Polizei in Northumbria würde sich gerne mit ihm unterhalten.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Er ist oft im Ausland. In Frankreich und so.» Maureen schien nicht viel vom Ausland zu halten.
    «Als Helen nach dem Tod ihrer Eltern hier aufgenommen wurde – kam sie da gut mit Edward Parmenger aus?»
    Maureen antwortete nicht; sie beobachtete Wiggins, der mit seinem Füller eifrig draufloskritzelte, und nahm es ihm sichtlich übel. Wiggins sah auf, bemerkte ihren mißbilligenden Blick und legte sein Notizbuch beiseite. «Haben Sie den Kuchen selbst gebacken, Miss? Es ist der beste, den ich je gegessen habe. Und ich bin ziemlich wählerisch, was das Essen angeht, besonders bei süßen Sachen.»
    Jury wandte das Gesicht ab, um ein Grinsen zu verbergen. Als getreuer, gewissenhafter und unermüdlicher Schreiber von Notizen war Wiggins unersetzlich. Und in letzter Zeit hatte er zudem noch seinen Charme aufpoliert.
    Sein Lob schien zu wirken, denn Maureen legte ihm geschmeichelt ein neues Stück Kuchen auf den Teller. Mit vollem Mund nahm Wiggins das Gespräch dort auf, wo Jury steckengeblieben war: «Dieser Mr. Edward Parmenger – ich hab irgendwie das Gefühl, daß er das Mädchen nicht besonders mochte. Was meinen Sie?»
    Sergeanten waren ihr offenbar weniger unheimlich als Superintendenten – zumindest wenn sie schon die dritte Portion Kuchen verspeisten –, jedenfalls antwortete sie: «Wie gesagt, er schien ihr ein bißchen die kalte Schulter zu zeigen. Aber er war eben ein sehr harter Mann, wenn ich ehrlich sein soll.»
    «Sie meinen, er war zu jedem so?» fragte Wiggins, während er mit der Gabel die letzten Kuchenkrümel aufpickte.
    «Nein, das nicht gerade.»
    «Was meinen Sie dann, Miss?»
    «Er mochte sie nicht. Mrs. Petit sagte immer, er habe sie nicht leiden können.»
    «Mrs. Petit ist die Köchin, nicht?»
    «Ja, aber sie lebt nicht mehr. Jedenfalls sagte sie immer, Miss Helen täte ihr leid.»
    Jury rauchte, starrte ins Feuer und wartete auf die entscheidende Frage: Warum hatte Parmenger sie dann überhaupt aufgenommen?
    «Könnte ich vielleicht noch eine Tasse Tee haben?» Wiggins konnte mitunter in seinem Bestreben, Zeugen durch Schmeicheleien Antworten zu entlocken, zu weit gehen.
    Während Maureen dem Sergeanten den Rest des Tees einschenkte, fragte Jury: «Wie alt war sie damals? Und wo lag dieses Internat?»
    «In Devon. Es war eine sehr teure Schule», sagte sie mit einer Betonung, die andeuten sollte, daß Edward Parmenger zwar mit seiner Liebe geknausert haben mochte, aber nicht mit seinem Geld. «Miss Helen war ungefähr fünfzehn. Sie war ein oder zwei Jahre dort. Dann hat Mr. Edward sie wieder vom Internat genommen.»
    «Warum?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht. Ich kam damals kaum je aus der Küche heraus. Mrs. Petit hat zwar so einiges erzählt, aber ich habe nie erfahren … Jedenfalls hab ich mir nichts dabei gedacht.»
    O doch, das haben Sie, dachte Jury. «Hatten Sie nicht das Gefühl, daß vielleicht ein … Skandal dahintersteckte?»
    «Nein, Sir, gewiß nicht!»
    Jury mußte lächeln. Sie war so viel jünger als die altvertrauten Vertreter ihrer Zunft – etwa eine Mrs. Petit oder Melrose Plants Butler Ruthven. Dennoch glich sie ihnen. Ein Verehrer alten Stils, fand Jury, hätte ihr gut angestanden. Ihr Anblick gemahnte ihn irgendwie an die längst vergangenen Tage des gloriosen Empire. In Wiggins brachte sie offenbar eine andere Saite zum Klingen: Seinem faszinierten Blick nach zu urteilen, stand zu vermuten, daß er ihretwegen sogar sein Füllhorn von Medikamenten vergessen hätte.
    «Falls unser Verdacht zutrifft … um es klipp und klar zu sagen: Falls Miss Helen ermordet wurde, wollen Sie doch sicherlich, daß der Schuldige seiner Bestrafung zugeführt wird.» Nun benutzte er selbst einen altertümlichen Ausdruck.
    Sie richtete sich empört auf. «Natürlich will ich das! Aber ich kann doch nicht …» Sie unterbrach sich.
    Jury wartete, aber Maureen schwieg.
    «Ich habe den Eindruck, daß Edward Parmenger das Mädchen gegen seinen Willen bei sich aufnahm. Fühlte er sich aus irgendeinem Grund dazu verpflichtet?» fragte Jury schließlich.
    «Wenn ich noch ein Kind wäre und meine Mutter stürbe» – sie bekreuzigte sich –, «dann würde

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