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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Parmenger. Er machte einen schlechtgelaunten Eindruck, und die Tatsache, daß Melrose und Agatha ihm vorgestellt wurden, schien ihn nicht aufzuheitern. Mit der einen Hand umklammerte er ein großes Whiskyglas, die andere ließ er in der Hosentasche stecken, während er die beiden Neuankömmlinge mit einem knappen «Hallo» begrüßte. Er schien nicht im mindesten daran interessiert, daß Melrose ein richtiger Lord und gar noch der Neffe dieser Dame war, die sofort das Wort ergriff, als Seaingham sie miteinander bekannt gemacht hatte und wieder gegangen war. Wie vernünftig von ihm, dachte Melrose.
    «Mein Neffe, Lord Ardry», wiederholte Agatha.
    «Melrose Plant», korrigierte ihr Neffe sie zum x-tenmal.
    Frederick Parmenger sah von einem zum anderen, und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Sein Blick jedoch blieb kalt. «Sie scheinen sich ja schwer darauf verständigen zu können, wer dieser Mann ist.»
    Da Melrose durchaus wußte, wer er war, kümmerte ihn die Geringschätzung im Ton des Mannes nicht im geringsten. Er nahm sogar an, daß dieses Gespräch das Interessanteste gewesen war, was Parmenger im Verlauf der gesamten Cocktailstunde erlebt hatte – eine Stunde, aus der zwei geworden waren, da Charles Seaingham seine letzten Gäste vom Inn abholen mußte.
    «Melrose erzählt den Leuten gerne, daß er seinen Titel aufgegeben hat», sagte Agatha in einem Tonfall, der nahelegte, daß Melrose log wie gedruckt. Sie nippte an ihrem Gin Bitter.
    «Liebe Tante, ich glaube eher, daß du es bist, die den Leuten gerne erzählt, daß ich gerne herumerzähle …»
    Sie unterbrach ihn mit einer unwilligen Handbewegung wie einen ungezogenen Jungen. «Hör auf, in Rätseln zu sprechen, Plant.» Sie wechselte jäh das Thema und begann, über Malerei zu fachsimpeln. Parmenger, der soeben begonnen hatte, sich für den kleinen Familienzank zu interessieren, verfiel sogleich wieder in Lethargie und sehnte sich sichtlich nach einem neuen Whisky, während sie ihm lang und breit ihre Kunst-ist-was-mir-gefällt-Philosophie erläuterte.
    Das Klaviergeklimper – stellten die Seainghams sich das etwa unter mittelalterlicher Hausmusik vor? – war verstummt, und Melrose wollte gerade Vivian aus Lady Assingtons Klauen befreien, als Charles Seaingham hinter ihm auftauchte und sagte: «Mein Lieber, hier ist jemand, den Sie kennenlernen müssen.»
    Melrose drehte sich um.
    «Lord Ardry. Der Marquis von Meares.» Seaingham kicherte und blinzelte Melrose zu. «Wir nennen ihn Tommy. Familienname Whittaker.»
    Melrose starrte den Jungen an. Es war der Billardspieler aus dem «Jerusalem Inn».
    Tommy Whittaker, Marquis von Meares, starrte zurück. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte auch er Melrose bemerkt, als dieser in das Hinterzimmer der Kneipe spaziert war. Tommy sah ein wenig bleich aus.
    Melrose fragte sich, wie in aller Welt dieser Junge es geschafft hatte, noch vor dem Landrover in Spinney Abbey anzukommen, sich in einen Abendanzug zu werfen und ans Klavier zu setzen (von dem er sich nun zum Glück wieder erhoben hatte).
    Tommy Whittaker räusperte sich: «Ich wünschte, die Leute würden mich nicht immer mit diesem Titel vorstellen.»
    «Ihm geht’s genauso», sagte Vivian, die sich hinzugesellt hatte.
    «Ich bin zu jung, um schon Marquis zu sein.»
    Vivian, die nach zwei Martinis zu schnippischen Bemerkungen aufgelegt war, entgegnete: «Und er hier ist zu alt, um noch Earl zu sein. Ihr habt also etwas gemeinsam. Aber dafür hast du dich in dieser Arbeiterkneipe doch recht gut amüsiert, nicht wahr, Melrose?»
    «Ich wäre an deiner Stelle vorsichtig, Vivian. Schließlich warst du es, die unbedingt beim ‹Jerusalem Inn› anhalten wollte.» Er hielt inne, als er Tommy Whittaker erröten sah. Die Schamröte stand dem Marquis von Meares ausgezeichnet. Er war einer der schönsten jungen Männer, die Melrose je gesehen hatte. Die Mädchenherzen mußten ihm nur so zufliegen.
    Vivian rauschte vom Alkohol beflügelt davon, und Tommy Whittaker räusperte sich ein weiteres Mal und bat inständig: «Sie werden doch nichts davon erzählen, daß Sie mich dort gesehen haben?»
    «Eher würde ich mich erschießen lassen. Aber eins mußt du mir sagen: Wie zum Teufel hast du es bloß geschafft, vor uns hierzusein? Wir haben’s ja kaum mit dem Landrover geschafft.»
    Tommy Whittaker warf ihm ein strahlendes Lächeln zu, aber bevor er antworten konnte, erschien Lady St. Leger an seiner Seite, gestützt auf einen Gehstock

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