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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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gefunden haben, Inspektor», sagte Lady Ardry und deutete mit einer weitausholenden Handbewegung auf Lady St. Leger und Vivian, die ihren Morgenrock enger um sich zog und sich nach Kräften bemühte, Jury nicht in die Augen sehen zu müssen. «Ich stehe Ihnen aber gerne als Zeugin zur Verfügung, und –»
    «Vielen Dank, Lady Ardry. Ich bin sicher, daß Sie Augen und Ohren offengehalten haben. Aber zunächst einmal möchte ich mich mit Lady St. Leger unterhalten.»
    Agatha war schon halb aufgestanden und ließ sich nun wieder in den Sessel plumpsen, sichtlich betrübt, daß sie die zweite Geige spielen mußte.
    Elizabeth St. Leger brachte offenbar weniger Enthusiasmus für die Kriminalistik auf; sie wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. «Ich beantworte natürlich gerne Ihre Fragen, Superintendent. Ich fürchte nur, daß ich Ihnen nicht viel zu erzählen haben werde.»
    Sie wollte sich erheben, aber Agatha hielt sie mit ihrer plumpen Hand zurück. «Mr. Jury kann uns doch beide zusammen befragen. Schließlich kennt er mich seit Jahren und weiß, daß ich mit diesem schrecklichen Vorfall nichts zu tun habe.»
    Lady St. Leger schüttelte ihre Hand ab und stand auf. «Das mag auf Sie zutreffen, Agatha, aber ich habe leider keine langjährigen Beziehungen zu Scotland Yard aufzuweisen.» Sie zwinkerte Jury schelmisch zu.
     
    «Es tut mir leid, wenn es den Anschein hat, daß ich diese Angelegenheit auf die leichte Schulter nehme», sagte Lady St. Leger, als sie Jury in Seainghams Arbeitszimmer gegenübersaß. «Offen gestanden bereitet mir Beatrice Sleights Tod weit weniger Kopfzerbrechen als die Tatsache, daß mein Neffe in den Fall verwickelt ist. Wie sagt man so schön: Ich weine ihr keine Träne nach.» Sie klopfte mit ihrem Stock auf den Boden. Er hatte einen Silberknauf und ähnelte auch sonst dem von Melrose Plant. Jury bezweifelte allerdings, daß er einen Degen enthielt.
    «Sie konnten Miss Sleight nicht besonders gut leiden?»
    Elizabeth St. Leger schien sich ihre nächsten Worte sorgfältig zu überlegen. «Ich konnte sie nicht ausstehen. Wenn Sie also nach einem Motiv suchen, hier haben Sie’s.»
    Jury lächelte zuvorkommend. «Wenn Abneigung ein hinreichendes Motiv wäre, lägen an jeder Straßenecke Leichen herum. Da müssen Sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen.»
    Amüsiert beobachtete er, wie Lady St. Leger die Stirn runzelte, als suche sie tatsächlich nach einer besseren Lösung, ihn zu überzeugen. Wie weit würde sie gehen, um ihren Neffen zu schützen, der sich immerhin am Tatort aufgehalten hatte? Jury unterbrach seine Gedanken. «Falls Sie sich aber Sorgen um Ihren Neffen machen, so kann ich Sie beruhigen. Es spricht einiges dagegen, daß er der Täter ist. Er war ja zur fraglichen Zeit mit Mr. Plant zusammen. Und ich kenne Mr. Plant. Schon seit Jahren.»
    Sie musterte ihn von oben bis unten, als sei seiner beruflichen Qualifikation nicht mehr ganz zu trauen, nun da er zugegeben hatte, mit diesem abtrünnigen Adeligen befreundet zu sein, von dem man anscheinend nichts anderes erwarten konnte, als daß er Leichen aufstöberte und überhaupt Ärger ins Haus brachte. «Mr. Plant ist ein netter, aber ausgesprochen ketzerischer junger Mann.»
    «Das mag durchaus sein. Aber er versorgt Tom mit einem Alibi. Beurteilen Sie ihn also nicht zu streng.»
    Sie lächelte. «Ja, da haben Sie recht. Kommen wir also zu mir: Ich bin kurz nach dem Dinner mit den anderen nach oben gegangen.»
    Jury zückte sein Notizbuch. «Wann war das ungefähr?»
    «Gegen zehn, halb elf. Halb elf, richtig. Ich erinnere mich, daß ich die Uhr schlagen hörte. Wir hatten alle keine Lust, lange aufzubleiben, und ich darf sowieso nicht allzu spät zu Bett gehen.» Sie tippte sich gegen die Brust. «Das Herz. Die Ärzte meinen, ich bräuchte meinen Schlaf. Sonst wär’s bald ganz vorbei mit dem Wachbleiben», fügte sie mit makabrem Humor hinzu. «Mein Schlafzimmer liegt am anderen Ende des Hauses. Wie alle Schlafzimmer übrigens.»
    «Haben Sie irgendwelche Geräusche gehört? Ich meine Schritte oder das Auf- und Zugehen von Türen.»
    «Ja, natürlich. Wir haben nicht alle unsere eigenen Badezimmer. Die Abtei ist nicht vollständig modernisiert. Ab und zu ist jemand über den Flur gelaufen. Aber ich habe nicht darauf geachtet. Ich bin sogar selbst einmal nach unten gegangen, um mir ein Buch zu holen. Meine Ärzte hätten das bestimmt nicht gerne gesehen. Das Treppensteigen soll ich nämlich

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