Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
etwas überhaupt gibt.«
Rebus nickte. Es war wirklich ein außergewöhnlicher Ort. Das kurze Gras unter den Sohlen zu spüren war nicht so, als ginge man über einen Rasen oder ein Feld, sondern als wäre man der erste Mensch, der dort je seinen Fuß hinsetzte. Sie folgten Briony durch einen Gang ins Herz des broch , wo sie zwar vor dem Wind geschützt waren, es aber kein Dach über dem Kopf gab, das den drohenden Regen abgehalten hätte. Monroes »eine Stunde« war eine Warnung gewesen; würden sie auch nur ein wenig später den Rückweg antreten, wäre ihnen eine raue, wenn nicht sogar gefährliche Fahrt gewiss.
Das blaue Nylon-Einmannzelt wirkte mitten im Innenhof des brochs ziemlich fehl am Platz. Ein Mann kam daraus hervorgekrochen und umarmte Briony. Rebus ließ den beiden etwas Zeit. Briony reichte ihrem Freund den Proviantbeutel.
»O je«, sagte Jake Harley," »ich hab sowieso schon zu viel zum Essen.«
Er schien nicht überrascht zu sein, Rebus zu sehen. »Ich hab mir schon gedacht, dass sie dem Druck nicht standhalten würde«, sagte er.
»Druck war gar nicht nötig, Mr. Harley. Sie macht sich Ihretwegen Sorgen, das ist alles. Eine Weile habe ich mir auch Sorgen gemacht; ich dachte, Ihnen könnte etwas zugestoßen sein.«
Harley brachte ein Lächeln zustande. »Sie dachten dabei wahrscheinlich nicht an einen Unfall , stimmt's?« Rebus nickte. Er starrte Harley an, versuchte, sich ihn als »Mr. H.« vorzustellen, den Mann, der Allan Mitchisons Hinrichtung angeordnet hatte. Aber das erschien ihm völlig abwegig.
»Ich kann's Ihnen nicht verdenken, dass Sie untergetaucht sind«, sagte Rebus. »War wohl das Vernünftigste, was Sie tun konnten.«
»Armer Mitch.« Harley blickte zu Boden. Er war groß, gut gebaut, hatte kurzes, sich lichtendes schwarzes Haar und eine Nickelbrille. Sein Gesicht wirkte jungenhaft, aber er hätte es dringend nötig gehabt, sich zu rasieren und die Haare zu waschen. Durch den offenen Zelteingang waren eine Bodenmatte, Rucksack, Radio und ein paar Bücher zu sehen. An die Innenwand des broch gelehnt stand ein roter Rucksack und nicht weit davon entfernt ein Campingkocher und eine Plastiktüte voller Abfälle.
»Können wir über die Sache reden?«, erkundigte sich Rebus.
Jake Harley nickte. Er bemerkte, dass Jack Morton sich mehr für das broch als für ihre Unterhaltung zu interessieren schien. »Irre, nicht?«
»Weiß Gott«, antwortete Jack. »Hat das Ding jemals ein Dach gehabt?« Harley zuckte die Achseln. »Die haben hier drin Unterstände gebaut, da war ein Dach vielleicht gar nicht nötig. Die Mauern sind hohl, doppelwandig. Eine der Galerien führt noch bis ganz nach oben.« Er ließ seinen Blick schweifen. »Es gibt viel, was wir nicht wissen.« Dann sah er zu Rebus. »Es steht seit zweitausend Jahren und wird noch hier sein, wenn das Ol längst versiegt ist.«
»Da habe ich keine Zweifel.«
»Manche Menschen erkennen das einfach nicht. Das Geld hat sie blind gemacht.«
»Sie glauben, dass sich alles nur ums Geld dreht, Jake?«
»Nein, nicht nur. Kommen Sie, ich zeig Ihnen die haa.«
Also verließen sie das broch , durchquerten die Schafweide und erreichten die niedrige Mauer, die einst ein ansehnliches steinernes Haus umgeben hatte, von dem jetzt nur noch die Grundmauern standen. Sie umrundeten die Anlage, Briony mit den zwei Männern vorneweg, während Jack sich vom broch nicht trennen zu können schien und in einigem Abstand folgte.
»Mousa Broch ist von jeher ein guter Zufluchtsort für Verfolgte gewesen. In der Orkneyinga Saga wird von einem Liebespaar erzählt, das sich hier einst versteckte.« Er lächelte Briony zu.
»Sie habe erfahren, dass Mitch tot ist?«
»Ja.«
»Wie?«
»Ich hab Jo angerufen.«
»Jo?«
»Joanna Bruce. Mitch und sie waren befreundet.« Damit hatte Ethnozöpfchen endlich einen Namen.
»Woher wusste sie es?«
»Das stand in der Edinburgher Zeitung. Jo kümmert sich um die Medien - sie liest jeden Morgen sämtliche Zeitungen, um festzustellen, ob es etwas gibt, was die verschiedenen Pressuregroups wissen sollten.«
»Briony haben Sie nichts davon gesagt?«
Jack nahm die Hand seiner Freundin und küsste sie. »Du hättest dir bloß Sorgen gemacht«, sagte er zu ihr.
»Zwei Fragen, Mr. Harley: Was glauben Sie, warum Mitch getötet wurde, und wer ist dafür verantwortlich?« Harley zuckte die Achseln. »Was den Täter angeht... ich werde nie etwas beweisen können. Aber ich weiß, warum er getötet wurde. Es war meine
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