Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
er leitete ihre Vernehmung. Sie brachte ihn zum Lachen. Ein paar Wochen später hatte er sie auf der Commercial Street gesehen und gefragt, wie es ihr so gehe. Sie hatte ihm gesagt, Zeit sei Geld und Plaudern nicht billig, aber wenn er etwas Konkreteres als heiße Luft wolle, könne sie ihm einen Sonderpreis machen. Er hatte ihr dann in einem Nachtcafe einen Kaffee und ein bridie spendiert. Zwei Wochen später, als er wieder zufällig in Leith unterwegs war, meinten die Mädchen, dass sie in letzter Zeit nicht mehr aufgekreuzt sei - und das war's gewesen. Vergewaltigt, verprügelt, erdrosselt.
Das alles erinnerte ihn an die World's-End-Morde, andere Morde an jungen Mädchen, von denen viele unaufgeklärt geblieben waren. World's End: Oktober 1977, das Jahr vor Spaven - zwei Teenager hatten imWorld's End Pub auf der High Street was getrunken. Am nächsten Morgen fand man sie tot auf.
Zusammengeschlagen, mit gefesselten Händen, Handtaschen und Schmuck verschwunden. Rebus hatte den Fall nicht bearbeitet, kannte aber Beamte, die daran beteiligt waren: Sie schleppten die Frustration eines unaufgeklärten Falls mit sich herum und würden sie noch mit ins Grab nehmen. Wenn sie in einer Mordsache ermittelten, betrachteten viele von ihnen das Opfer als ihren Mandanten - stumm und kalt zwar, aber dennoch nach Gerechtigkeit schreiend. Es stimmte schon, denn manchmal, wenn man nur aufmerksam genug horchte, konnte man sie hören. In seinem Sessel am Fenster hatte Rebus schon viele verzweifelte Schreie gehört, und eines Nachts auch den von Angie Riddell. Es hatte ihm schier das Herz zerrissen, weil er sie gekannt, sie gern gehabt hatte. In diesem Moment wurde die Sache für ihn zu einer persönlichen Angelegenheit. Er konnte nicht anders - er musste sich für Johnny Bible interessieren. Er wusste nur nicht, wie er sich nützlich machen konnte. Seine Neugier auf den Bible-John-Fall brachte wahrscheinlich gar nichts. Sie hatte ihn in die Vergangenheit zurückgeworfen, sodass er immer weniger Zeit in der Gegenwart verbrachte. Manchmal kostete es ihn seine ganze Kraft, um sich wieder in das Hier und Jetzt zu versetzen.
Rebus musste ein paar Anrufe erledigen. Erstens: Pete Hewitt in Howdenhall.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Inspector.« Eine Stimme, die vor Ironie nur so troff. Rebus warf einen Blick hinaus in den milchigen Sonnenschein. »Heiße Nacht gehabt, Pete?«
»Heiß? Man hätte einen Eisbären darauf braten können. Ich nehme an, Sie haben meine Nachricht bekommen?« Rebus hielt Stift und Papier bereit. »Es gibt ein paar ordentliche Abdrücke von der Whiskeyflasche: Daumen und Zeigefinger. Von der Plastiktüte und dem Klebeband, mit dem er an den Stuhl gefesselt war, konnte ich nur ein paar Teilabdrücke kriegen, nichts, womit sich das Gericht überzeugen ließe.«
»Kommen Sie schon, Pete, raus mit dem Namen.« »Na, ihr jammert doch immer, wie viel Geld wir für Computer verjubeln würden... binnen einer Viertelstunde hatte ich einen Volltreffer. Der Name ist Anthony Ellis Kane.Vorbestraft wegen versuchten Mordes, tätlicher Bedrohung, Hehlerei. Klingelt's?«
»Nicht im Entferntesten.«
»Na ja, sein Betätigungsfeld war Glasgow und Umland. Seit sieben Jahren keine Verurteilungen mehr.«
»Ich seh ihn mir an, wenn ich auf dem Revier bin. Danke, Pete.«
Nächster Anruf: der Personalchef von T-Bird Oil. Ein Ferngespräch; den würde er zurückstellen und von Fort Apache aus erledigen. Ein Blick aus dem Fenster: von der TV-Crew nichts zu sehen. Rebus zog sein Jackett an und verließ die Wohnung.
Er schaute erst beim Boss vorbei. MacAskill schlürfte Irn-Bru.
»Wir haben eine Abdruckidentifizierung, Anthony Ellis Kane, vorbestraft wegen Gewaltdelikten.«
MacAskill warf die leere Limodose in den Papierkorb. Sein Schreibtisch versank unter Stapeln alter Akten aus dem Schubfach Nummer eins des Aktenschranks. Auf dem Fußboden stand ein leerer Umzugskarton.
»Wie steht's mit Angehörigen und Freunden des Toten?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Der Tote arbeitete bei T-Bird Oil. Wegen näherer Infos rufe ich noch den Personalchef an.«
»Das hat höchste Priorität, John.«
»Allerhöchste, Sir.«
Aber als er in den Schuppen kam und sich an seinen Schreibtisch setzte, spielte er mit dem Gedanken, als Erstes Gill Templer anzurufen, entschied sich dann aber dagegen. Bain saß an seinem Schreibtisch; Rebus wollte keine Zuhörer.
»Dod«, sagte er, »checken Sie mal Anthony Ellis Kane. Howdenhall hat auf der
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