Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
Der typische Serienmörder war angeblich verschlossen, hatte nur wenige wirkliche Freunde, also zwang er sich, ein geselliger Mensch zu werden. Charakteristisch für ihn waren ein Mangel an Tatendrang und Angst vor Kontakten zu Erwachsenen, also nahm er einen Job an, in dem Tatendrang und Kontakte von entscheidender Wichtigkeit waren. Und was den Rest der Abhandlung anbelangte... größtenteils Schrott.
Serienmörder hatten nicht selten homosexuelle Erfahrungen - nicht schuldig. Sie waren in der Regel unverheiratet - erzähl das dem Yorkshire Ripper.
Sie hörten oft zwei Stimmen in ihrem Kopf, die eine gut und die andere böse. Sie sammelten Waffen und gaben ihnen Kosenamen. Viele gingen gern in Frauenkleidern. Manche bekundeten ein starkes Interesse an schwarzer Magie oder Monstern oder sammelten Sado-Pornos. Viele hatten ein »Refugium«, einen besonderen Raum, in dem sie Dinge wie Kapuzenmützen, Puppen und Neoprenanzüge verwahrten.
Er sah sich in seinem Arbeitszimmer um und schüttelte den Kopf.
Es gab nur einige wenige Details, die der Psychiater richtig getroffen hatte. Ja, er hätte sich als egozentrisch bezeichnet - wie die Hälfte der Bevölkerung. Ja, er legte Wert auf Sauberkeit und Ordnung. Ja, er interessierte sich für den Zweiten Weltkrieg (aber keineswegs nur für Nazismus und KZ). Ja, er konnte glaubwürdig lügen oder, besser gesagt, die Leute glaubten jeden Unsinn. Und ja, er plante seine Aktionen von langer Hand - so wie es der Parvenü jetzt auch zu tun schien.
Der Bibliothekar war mit seiner Zeitungsliste noch nicht fertig. Eine Suche nach Bestellungen von Bible-John- Literatur hatte nichts ergeben. Das waren die schlechten Nachrichten. Aber es gab auch gute. Dank dem wiedererstarkten Interesse an dem Bible-John-Fall hatte er detaillierte Zeitungsberichte über weitere unaufgeklärte Morde gefunden, sieben an der Zahl. Fünf hatten sich 1977 ereignet, einer 1978 und einer in viel jüngerer Vergangenheit. Diese Fälle lieferten ihm eine zweite These. Nach der ersten stand der Parvenü erst am Anfang seiner Laufbahn; nach der zweiten nahm er seine Aktivität nach einer langen Unterbrechung wieder auf. Er konnte in der Zwischenzeit außer Landes gewesen sein oder in irgendeiner Anstalt, ja selbst in einer Beziehung gelebt haben, in der er die Notwendigkeit zu töten nicht gespürt hatte. Wenn die Polizei sorgfältig gearbeitet hätte - was er bezweifelte -, dann wäre sie jetzt damit beschäftigt gewesen, Männer zu überprüfen, die sich in letzter Zeit hatten scheiden lassen und 1978 oder 79 geheiratet hatten. Bible John hatte nicht die Möglichkeiten, das zu tun, und das war frustrierend. Er stand auf und starrte auf seine Bücherregale, ohne sie eigentlich wahrzunehmen. Manche vertraten die Meinung, der Parvenü sei Bible John, die Personenbeschreibungen der Augenzeugen seien fehlerhaft, mit dem Resultat, dass Polizei und Medien ihre Phantombilder wieder hervorkramten.
Gefährlich. Er wusste, dass der einzige Weg, solche Spekulationen im Keim zu ersticken, darin bestand, den Parvenü aufzuspüren. Nachahmung war nicht , wie Charles Caleb Colton meinte, die aufrichtigste Form von Schmeichelei. Sie war potentiell tödlich. Er musste den Parvenü finden. Entweder das oder die Polizei zu ihm hinführen. So oder so würde es erledigt werden.
8
Er saß in einer Kneipe und trank sich die Reste des Schlafs aus dem Kopf.
Er war viel zu früh aufgewacht, hatte sich angezogen und beschlossen, einen Spaziergang zu machen. Er durchquerte die Meadows, lief die George IV Bridge und die High Street entlang, dann nach links weiter auf die Cockburn Street. Cockburn Street: Einkaufsmekka für Teenager und Hippies; Rebus erinnerte sich an die Zeit, als der Cockburn-Street-Markt sehr viel anrüchiger gewesen war als heutzutage. Angie Riddell hatte ihre Halskette in einem Laden an der Cockburn Street gekauft. Vielleicht hatte sie sie an dem Tag getragen, als er mit ihr im Cafe war, aber er glaubte es nicht. Er schob den Gedanken beiseite, bog in eine enge Passage, eine steile Treppe, dann wieder nach links auf die Market Street. Er stand gegenüber der Waverley Station, wo es ein offenes Pub gab. Er wurde von Nachtarbeitern frequentiert - ein, zwei Drinks, bevor es nach Haus und ins Bett ging. Aber man sah auch Geschäftsleute, die sich für den bevorstehenden Tag wappneten.
Da sich in der Nähe mehrere Redaktionen befanden, waren die Stammgäste Drucker und Korrektoren, und man fand da immer druckfrische
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